Genossenschaften aus Finanzierersicht

Die Vereinten Nationen haben 2012 zum internationalen Jahr der Genossenschaften erklärt: Das Genossenschaftswesen und seine Grundwerte erleben eine Renaissance. Unternehmen dieser Rechtsform erwirtschaften rund 7 Prozent des Bruttoinlandproduktes, weisen statistisch die mit Abstand höchste Eigenmittelquote auf und haben gleichzeitig die geringste Insolvenzquote – also gute Voraussetzungen für eine positive Einschätzung durch Kreditgeber? Nein, im Gegenteil.

Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Genossenschaften aus Finanzierersicht" von Dr. Wieselhuber & Partner (W&P).

Management Summary

Die Auswertung der Befragung zeigt zwar eine sehr breite Spreizung in der Einschätzung der genossenschaftlich organisierten Unternehmen durch Banken, aber letztlich können Genossenschaften im Hinblick auf die Finanzierung nicht von der gesellschaftlichen Wertediskussion und dem positiven Image der Rechtsform profitieren.
Das Stimmungsbild kommt insgesamt zu eindeutigen und deutlichen Ergebnissen:
Für rund die Hälfte der Befragten hat die Rechtsform der Genossenschaft einen negativen Einfl uss auf das Unternehmensrating. Die Gründe hierfür liegen überwiegend in der kleinteiligen Gesellschafterstruktur und der Zwitterstellung, d. h. der gleichzeitigen Lieferanten-/ bzw. Abnehmer- und Gesellschafterposition, der Mitglieder. Kritisch werden auch die ehrenamtlichen Aufsichtsgremien und die Höhe der Eigenkapitalausstattung von Genossenschaften gesehen.

Die Bereitschaft der Banken zur Finanzierung ist bei 43 % der Befragten grundsätzlich gering und wird sich zukünftig bei 41 % noch weiter verschlechtern. Lediglich 22 % stehen Finanzierungsanfragen von Genossenschaften generell positiv gegenüber und 10 % sehen zukünftig sogar eine höhere Finanzierungsbereitschaft.

Die sich tendenziell verschlechternden Finanzierungsaussichten werden also überwiegend mit dem Einfl uss von Basel III begründet. Den Genossenschaften sind die Erfüllung der verschärften Kreditanforderungen offenbar nur sehr eingeschränkt zugetraut, die Eigenkapitalanforderungen an Genossenschaften ist sogar höher als an andere Rechts- und Unternehmensformen.

Die Divergenz in der Einschätzung von Geschäftsbanken und Sparkassen auf der einen und den befragten Genossenschaftsbanken auf der anderen Seite, insbesondere was die zukünftige Finanzierungsbereitschaft anbelangt, lässt auf einen Rückzug der nicht genossenschaftlichen Banken schließen. Genossenschaften werden Fremdkapital somit künftig überwiegend im Genossenschaftssektor aufnehmen können.

Nach Meinung der Banken werden sich Genossenschaften zukünftig verstärkt über Gewinnthesaurierung und Gesellschaftermittel fi nanzieren müssen. Die klassische Fremdkapitalbeschaffung über Bankdarlehen wird stark an Bedeutung verlieren und teilweise durch Asset-basierte Fianzierungsformen (z. B. Leasing, Factoring) ersetzt werden müssen.
Eine zentrale Herausforderung für Genossenschaften liegt somit in der Überwindung der rechtsformspezifi schen Nachteile, in der Beschaffung und dem Erhalt von Eigenkapital. Wesentlicher Hebel hierfür ist ein robustes und zukunftsfähiges Geschäftsmodell. Hiervon sind auch über 90 % der Teilnehmer der Studie überzeugt. Als zentrale Herausforderungen werden folgende Bereiche angesehen:
Auf der Ebene der Gesellschaftervertreter von Genossenschaften wird von den Banken eine Professionalisierung der Aufsichtsgremien erwartet. Das genossenschaftliche Postulat der Selbstverwaltung steht stark in der Kritik. Auf der Wettbewerbs- und Wertschöpfungsebene wird ein hoher strategischer und operativer Anpassungsbedarf konstatiert. Eine Vielzahl der bisherigen Fusionen haben nur zu einem „Mehr vom Gleichen“ und nicht zu einer Verbesserung der Wettbewerbsposition geführt.

Auf der Finanzierungseite wird eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen, z. B. zur Gewinnthesaurierung und Rücklagenbildung, angemahnt.
Darüber hinaus wird die satzungsgemäße Verankerung einer Auszahlungssperre in Krisenzeiten und generelle Regelungen zum Erhalt eines Mindestkapitals gefordert. Die Mitglieder der Genossenschaften sollen hierüber zu einer stärkeren Wahrnehmung ihrer Gesellschafterverantwortung verpfl ichtet werden. Die Nachteile der Kleinteiligkeit der Gesellschafterstruktur sollen durch eine bessere Berechenbarkeit und Verlässlichkeit für die Finanzierungspartner verringert werden.
70 % der Teilnehmer der Studie sehen bei den von ihnen betreuten Sanierungsfällen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Krise und der Rechtsform der Genossenschaft oder aber zumindest eine Beschleunigung des Krisenverlaufs. Verglichen mit anderen Rechts- und Unternehmensformen weisen Genossenschaften aus Sicht der Banken das größte Sanierungsrisiko auf. Lediglich Fondgesellschaften wie Schiffs- oder Immobilienfonds werden ähnlich schlecht bewertet. Die Gründe für die vergleichsweise schlechten Erfolgsaussichten von Genossenschaftssanierungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Im Vergleich zu anderen Rechtsformen spielen bei Genossenschaften strategische und gesellschafterbedingte Krisenursachen eine deutlich wichtigere Rolle – dies führt zu höheren grundsätzlichen Risiken in der Sanierung.
Das Krisenmanagement von Genossenschaften wird aus Sicht der Banken durch unzureichende Gremien- und Gesellschafterverantwortung sowie insgesamt unprofessionelle Gremien- und Entscheidungsstrukturen erheblich erschwert. Dies führt nach Meinung der Banken in einer Vielzahl von Sanierungsfällen zu einer Blockade in der Umsetzung notwendiger Sanierungsmaßnahmen, z. B. aufgrund einer starken Emotionalität und zu geringer Faktenorientierung der Mitglieder und Gremien. Selbst aussichtsreiche Konzepte scheitern an der mangelhaften Umsetzung.
Für die überwiegende Mehrheit der Befragten ist die Fusion mit einer anderen Genossenschaft immer noch der „Königsweg“ der Sanierung. Alternative Konzepte wie eine Stand-alone Sanierung, die Nutzung der Möglichkeiten des Insolvenzrechts oder der Einsatz von Zweckgesellschaften zur Unternehmenssanierung wird bei Genossenschaften skeptisch beurteilt.

Ebenso kommt für die große Mehrheit der Banken zur Sicherstellung der Sanierungsziele nur die Bestellung von Zusatzsicherheiten bzw. eine Nachbesicherung von Krediten in Frage. Selbst die heutzutage übliche Vereinbarung von Kredit- Covenants wird bei Genossenschaften nur von rund der Hälfte der Befragten als geeignet angesehen. Weitere Instrumente wie z. B. Treuhandmodelle, die Verpfändung von Geschäftsanteilen oder der Debt-to-Equity Swap werden mehrheitlich als ungeeignet angesehen. Das „Tool-Set“ der Sanierungsinstrumente und -konzepte des bankseitigen Krisenmanagements ist also im Vergleich zu anderen Rechtsformen deutlich eingeschränkt.
Landwirtschaftliche Genossenschaften wurden von den Banken in Bezug auf das Rating, den Anpassungsbedarf des Geschäftsmodells und des Sanierungsrisikos mit Abstand am kritischsten beurteilt.
Inhaltsverzeichnis 
1.
Einleitung

2.
Zielsetzung und Struktur der Befragung

3.
Ergebnisse der Befragung
3.1
Rahmenbedingungen und Finanzierungsperspektive von Genossenschaften
3.2
Herausforderungen für das Geschäftsmodell von Genossenschaften
3.3
Problemkreditmanagement bei Genossenschaften
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