W&P Kommentar
München, 06.10.2014

Liquiditätssteuerung als Schlüssel der Konzernsanierung

Kommentar von Dr. Johannes Fues, Manager bei Dr. Wieselhuber & Partner

Geraten Unternehmen in die Krise, so ist Liquidität die kritische Größe. Was als allgemeine Wahrheit für alle Unternehmen gilt, gilt dabei für Konzerne umso mehr. Allerdings ist hier die Komplexität aufgrund der Volumina "at risk", der Anzahl der internen und externen Beteiligten und der strukturellen Risiken ungleich höher. W&P hat in den letzten Jahren verschiedene erfolgreiche Projekte in Konzernen in Deutschland und im angrenzenden Ausland durchgeführt, in denen die Steuerung von Liquidität im Konzern entweder selbst zentraler Projektbestandteil war oder erforderliche Vorbedingung im Rahmen eines umfassenden Sanierungsprozesses. Diese Erfahrungen werden in der vorliegenden Case Study reflektiert. Dabei liegt das Augenmerk zunächst auf den Besonderheiten der operativen Liquiditätssteuerung im Konzern (vgl. Abschnitte 1, 2). Einen eher strategischen Ansatz verfolgt die Bewertung von Szenarien unter Liquiditätskriterien (vgl. Abschnitt 3). Die Kommunikation an die externen Stakeholder und damit der (Wieder-)Aufbau von Vertrauen in die Verlässlichkeit, sind ein wichtiger Nebenzweck der Liquiditätssteuerung (vgl. Abschnitt 4). Alle Tätigkeiten der Liquiditätssteuerung bilden schließlich die Basis eines nachhaltigen strukturellen Turnaround (vgl. Abschnitt 5).

1. Liquidität als wesentlicher Faktor in der Sanierung
Liquidität ist nicht alles, aber ohne Liquidität ist in der Sanierung von Unternehmen buchstäblich alles nichts. Folgerichtig ist eine saubere Bestandsaufnahme des Finanzstatus für jedes Unternehmen des Konzerns (in Deutschland gem. IDW PS 800) die Grundvoraussetzung. Diese Bestandsaufnahme bildet gleichsam das Vorzeichen aller nachfolgenden Projektschritte. Nur wenn die unmittelbare Insolvenzgefahr einer oder mehrerer Gesellschaften ausgeschlossen werden kann, besteht die Voraussetzung für jede weitergehende Projektphase. Ggf. kann es erforderlich sein, mit Lieferanten, Banken oder sonstigen Gläubigern Vereinbarungen im Sinne eines Standstill zu treffen, um eine detaillierte Konzeptphase zu ermöglichen. Grundsätzlich gilt: Nur wenn die Liquiditätsfragen geklärt sind, ist ein nachhaltiger Turnaround außerhalb der Insolvenz möglich.

Neben diesen allgemeinen liquiditätsbezogenen Herausforderungen, die in jedem Unternehmen bestehen, existieren spezifische Problemfelder im Konzern:

  • Operative Verflechtungen: Operative Verflechtungen führen zu einer Vielzahl gegenseitiger Wechselwirkungen und Abhängigkeiten. Werden beispielsweise interne Forderungen nicht mehr bedient, weil sie in der Wahrnehmung des Managements hinter externen zurücktreten, so kann dies zu Liquiditätsproblemen bei der empfangenden Gesellschaft führen.
  • Finanzierungsverflechtungen: Finanziert eine Konzerngesellschaft sich beispielsweise über eine separate Finanzierungsgesellschaft im Konzern ("Onlending"), so ist oftmals nicht gewährleistet, dass Fristigkeiten und Sicherheiten der Finanzierungen synchron laufen.
  • Eine der größten Herausforderungen im Konzern ist das Thema Cashpooling. Während in "Friedenszeiten" die Vorteile des Poolings darin liegen, das wirtschaftliche Ganze steuern zu können und unkompliziert Mittel von einer Gesellschaft in eine andere zu verlagern, ändert sich das in einer Krise deutlich. Jetzt müssen die Gesellschaften ggf. einzeln betrachtet werden, und Interessen und gesetzliche Anforderungen der einzelnen Gesellschaften und des Konzerns laufen ggf. deutlich auseinander. Eine interne Kreditgewährung, und war sie auch über Jahre gerne geübte Praxis, kann in der Krise den Tatbestand der Untreue erfüllen, wenn Risiko und Vergütung nicht wie unter fremden Dritten abgewogen wurden. Ein Zerbrechen von Cashpools führt aber per se durch den Wegfall der Möglichkeit des gegenseitigen Ausgleichs zu einem mitunter, in Summe über die Einzelgesellschaften, um 20 % erhöhten Finanzierungsbedarf. Insofern ist die Aufrechterhaltung des Cashpools in der Regel unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wünschenswert, jedoch nur mit einer engen juristischen Begleitung der Organe der Gesellschaft möglich. Wenn Entscheidungsgrundlagen, insbesondere zur "überwiegenden Wahrscheinlichkeit" von zugrunde gelegten Prämissen dokumentiert werden können, sind die Organe einer Gesellschaft gegen mögliche spätere Anfechtungstatbestände gewappnet.

2. Bündelung der Planungs- und Steuerungsprozesse im Liquiditätsbüro
Angesichts der großen Anzahl der Beteiligten, der Vielzahl auch komplexer Themen etc. braucht es im Konzern eine Bündelung aller zur Planung und Steuerung der Liquidität erforderlichen Aktivitäten und Prozesse. Kann dies nicht durch die reguläre Organisation im Unternehmen sichergestellt werden, übernimmt diese Funktion das W&P-Liquiditätsbüro. Dessen Aufgaben bestehen im Wesentlichen in folgenden Themenfeldern:

  • Schneller Überblick: Standardisierte Prozesse und Datenstrukturen sorgen für einen schnellen Überblick und stellen eine zügige Implementierung auch in internationalen Konzernen sicher.
  • Einbindung Kundenorganisation: Während in einzelnen Unternehmen die Liquiditätssteuerung ggf. komplett von Externen übernommen werden kann, liegt im Konzern der Fokus eher auf der Bündelung und Koordination der Prozesse in den einzelnen Gesellschaften. Voraussetzung für die reibungslose Funktion der Liquiditätssteuerung ist die Klärung der Kompetenzen aller beteiligten Funktionen und ggf. die Präzisierung der entsprechenden Prozesse zwischen den Verantwortlichen in den Konzerngesellschaften und den zentralen Konzernfunktionen Controlling, Finance und Treasury.
  • Konsistente Planungs- und Datenstrukturen: W&P baut in der operativen Arbeit darauf auf, alle relevanten Ist- und Plan-Daten in eine konsistente Datenstruktur zu bringen, damit die rollierende Liquiditätsplanung bspw. auf den gleichen konsistenten Prämissen aufbaut wie die Mittelfristplanung.
  • Liquiditätsmaßnahmen: Wesentlicher Bestandteil der operativen Liquiditätssteuerung ist die Definition, Bewertung und Umsetzung von liquiditätsstützenden Maßnahmen. Dabei reicht das Pensum von der Nachverfolgung großer Einzelthemen, beispielsweise einer Verwertung nicht betriebsnotwendiger Assets, bis hin zu tiefergehenden Eingriffen in die Prozesse der einzelnen operativen Gesellschaften, zur Optimierung des Working Capital Managements (Best-Practice-Ansätze) u. a. m.
  • Rollierender Prozess: Zentrales Merkmal der operativen Liquiditätssteuerung ist ein rollierender Prozess, in dem mit zunehmender Routine jeweils alle neuen Erkenntnisse Berücksichtigung finden.
  • Feste Meeting- und Kommunikationsstruktur: W&P hat in den Projekten sehr positive Erfahrungen mit festen Meeting- und Kommunikationsstrukturen gesammelt. Dabei wird die Struktur der rollierenden Liquiditätssteuerung gleichsam zu einer internen Kommunikationsplattform zur Abstimmung der relevanten Handlungsstränge in Konzeption bzw. Umsetzung der Sanierung.


3. Bewertung von Szenarien unter Liquiditätsaspekten
Neben der operativen Liquiditätssteuerung besteht die Aufgabe des Liquiditätsbüros auch in der Beratung der Organe der Gesellschaft in weiterführenden strategischen Fragestellungen. Insbesondere müssen Szenarien im Rahmen der Sanierung unter Liquiditätsgesichtspunkten
bewertet werden. Wenn Liquidität die zentrale Ressource darstellt, bildet diese Bewertung oftmals die wesentliche Entscheidungsgrundlage in der kaufmännischen Bewertung von verschiedenen Szenarien. Dabei sind oftmals folgende Fragestellungen zu beantworten:

  • Ausarbeitung und Vergleich von Szenarien hinsichtlich des Verkaufs von Gesellschaften oder Assets, dabei auch Vergleich von Deal-Strukturierungen.
  • Vergleich Stilllegung oder Liquidation von Gesellschaften und Assets.
  • Berücksichtigung von Wechselwirkungen von Veränderungen im Konzern aufgrund von operativen Verflechtungen oder Haftungen.
  • Wasserfallregelungen bei der Rückführung lokaler Finanzierungen und Leasing-Verbindlichkeiten.
  • Verfügbarkeit von Mitteln lokaler bzw. nationaler Cashpools.
  • Bewertung von Maßnahmen zur Hebung von Liquiditätsreserven.


4. Konsistente Liquiditätskommunikation mit Stakeholdern
Die Qualität der Kommunikation an externe Stakeholder stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor für das Gelingen der Krisenbewältigung dar. Relevante Stakeholder und damit Zielgruppe der Liquiditätskommunikation sind in erster Linie die Finanzierer, in einzelnen Fällen können dies aber auch Warenkreditversicherer oder Lieferanten sein. Für den in der Krise befindlichen Konzern ist es wichtig, dass diese Gruppen an die Sanierungsfähigkeit glauben und ihre gewährten Kredite oder ihre ausstehenden Forderungen trotz einer mit Unsicherheit behafteten Situation nicht zurückfordern.

Die Kommunikation muss somit darauf ausgelegt werden, dass die Transparenz hinsichtlich der laufenden Liquiditätsentwicklung sichergestellt ist und ein Aufbau von Vertrauen in die Verlässlichkeit des Konzerns erfolgen kann. Bewährt hat sich in derartigen Situationen eine Kommunikationsroutine als proaktive Regelkommunikation, bei der anlassunabhängig und nicht erst bei Veränderungen oder Problemen beispielsweise im 2-Wochen-Rhythmus die aktuelle Liquiditätsentwicklung an die relevanten Stakeholder berichtet wird. Eine gleichbleibende Struktur und Datenqualität sollten dabei selbstverständliche Bestandteile sein, die der Zielgruppe eine schnelle Informationsaufnahme erlauben.

5. Cash ist fesch - und Voraussetzung des nachhaltigen Sanierungserfolgs
Allen regionalen Unterschieden zum Trotz, erkennbar in Äußerungen wie zwischen "Cash is fesch" und "Cash is King": Inhaltlich herrscht dahingehend Einigkeit, dass nur ein durchgreifendes Liquiditätsmanagement die saubere Basis einer nachhaltigen Sanierung bilden kann.

Eine fundierte Aufnahme des Finanzstatus zeigt, welche Risiken und Dringlichkeiten bestehen, um ggf. Insolvenztatbestände noch abzuwenden, und determiniert den Zeitraum, den das Unternehmen für eine grundlegende Konzeptphase hat.

Die rasche Implementierung von Instrumenten zur Liquiditätssteuerung im Konzern schafft die Möglichkeit zur Krisenreaktion und schafft ggf. erforderliche Spielräume, um auf nicht geplante Entwicklungen zu reagieren. Die liquiditätsorientierte Steuerung ist ein wichtiges Element eines neuen Controlling-Systems.

Liquiditätssteuerung schafft den Rahmen für einen strukturellen Sanierungserfolg. Ein nachhaltiger Turnaround wird erst erreicht, wenn es gelingt, das Geschäftsmodell des Konzerns grundlegend zu hinterfragen und die operativen und Finanzierungsstrukturen an die stetig zunehmenden Herausforderungen der Umwelt anzupassen.
 
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