München, 01.10.2014

Handelsmarken: Erfolgsstrategien sind gefragt

Gerald Lindinger-Pesendorfer, Senior Manager

Private-Label-Produzenten müssen ihre Rentabilität im Auge behalten - Wertschöpfungstiefe hinterfragen

Durch die gestiegenen Anforderungen des Handels werden Label-Spezialisten vermehrt dazu angehalten, Innovations-, Entwicklungsfähigkeiten und Qualität zu verbessern. Für Handelsmarkenhersteller, denen das am besten gelingt, wächst die Chance, dem eindimensionalen Preiskampf ein Stück weit aus dem Weg zu gehen.

Unternehmensentwicklung im Bereich Handelsmarke ist oftmals von opportunistischem Vorgehen geprägt. Häufig sind es die Aufträge des wichtigsten Kunden, die den Einstieg in ein Produktsegment oder eine Anlageninvestition auslösen. Bei Markenherstellern sind es oft Überkapazitäten, die den Einstieg in das Privat-Label-Geschäft attraktiv erscheinen lassen. Gelegenheitsgetriebene Unternehmenssteuerung ist sicherlich einer der Gründe, warum es mit Eigengewächsen nur Wenigen gelingt, ordentliche Gewinnmargen zu erzielen und den Firmenwert kontinuierlich zu steigern. Es überrascht deshalb nicht, dass es den Wunsch nach passgenauen Strategien gibt, die dem Unternehmen eine zukunftsfähige und profitable Ausrichtung geben.

Konzepte der Unternehmenswertsteigerung klingen manchmal kompliziert. Im Wesentlichen geht es darum, sicherzustellen, dass eine risikoadäquate Verzinsung auf das eingesetzte Gesamt- und Eigenkapital gegeben ist. Diese Denkweise ist für einzelne Investitionsentscheidungen genauso relevant, wie für das Gesamtunternehmen. Der Wert wird dann gesteigert, wenn die Rendite auf das eingesetzte Kapital die Kapitalkosten übersteigt. Daher ist die Höhe genauso wichtig wie der erzielte Gewinn. Daraus können unterschiedliche strategische Stoßrichtungen abgeleitet werden. 
Differenzierung und Innovation zur Ausweitung und Absicherung des Geschäftes gewinnen auch im Bereich Handelsmarkenherstellung zunehmend an Bedeutung. Noch gibt es Kunden, die den Lieferanten per Ausschreibung die gewünschten Produkte diktieren. Vermehrt setzt sich aber eine gemeinschaftliche Herangehensweise durch, bei der ein Lieferant mit Marktkompetenz, Konsumentenverständnis und abgestimmten Prozessen punkten kann. Andererseits ist effizienter Kapitaleinsatz ein ebenso wichtiger Treiber. Wem es gelingt, das eingesetzte Betriebs- und Anlagevermögen strukturell zu senken, beziehungsweise mit dem vorhandenen Vermögen mehr Umsatz zu bewältigen, hat einen wirkungsvollen Hebel zur Steigerung des Unternehmenswertes gefunden.

Da Markenhersteller mit Handelsmarkengeschäft Überkapazitäten füllen und Private- Label-Spezialisten mit Innovationskompetenz Marken führen, ist es nicht verwunderlich, dass viele Unternehmen eine Hybridstrategie verfolgen. Wer jedoch beides parallel betreibt, läuft Gefahr, dass sich insgesamt die Profitabilität verschlechtert. Hierbei ist zu beachten, dass grundsätzlich das (A-) Markengeschäft eine höhere Rentabilität ermöglicht - internationale Markenartikler erwirtschaften durchwegs zweistellige Ebit-Margen.

Wer es nicht schafft, das Marken- und Handelsmarkengeschäft im Umgang mit dem Einkäufer zu trennen, der gefährdet die Profitabilität seines Markengeschäftes. Der Einkäufer kennt die Kostenstruktur und die Schmerzgrenze - die möglicherweise unter den Vollkosten liegt - und wird Innovationen rasch für die Eigenkreationen einfordern. Darüber hinaus sind Produktentwicklungsprozess und Kultur wichtige Erfolgsfaktoren, die handelsmarken- und markengerecht gestaltet sein müssen.

Ein FMCG- beziehungsweise Food-Hersteller muss deshalb klar definieren, welche Positionierung im Spannungsfeld zwischen Innovation (Differenzierung) und Kostenführerschaft eingenommen werden soll. Dabei ist zu beachten, dass Marken und Private Labels immer direkter im Wettbewerb stehen und jeweils alle Qualitäts- und Preisschienen abdecken: Durch die vielfältigeren und steigenden Anforderungen des Handels werden vermehrt Label- Spezialisten dazu angehalten, Innovations-, Entwicklungsfähigkeiten und Qualität zu verbessern.
Für Hersteller, denen das am besten gelingt, ergibt sich auch die Möglichkeit, dem eindimensionalen Preiskampf ein Stück weit aus dem Weg zu gehen. Das setzt voraus, dass man im Unternehmen klar definiert, in welchen Geschäftsfeldern mittel- und langfristig relevante Wettbewerbsvorteile erarbeitet werden können.

Aufgrund der hohen Konzentration im Handel ist für viele Hersteller ein einzelner Abnehmer von enorm hoher Bedeutung. Mehr und mehr werden dann die Prozesse auf diesen Kunden hin optimiert. Dadurch werden Labelproduzenten mehr und mehr zur verlängerten Werkbank und die Abhängigkeit von einem beziehungsweise wenigen Abnehmern immer größer. Wenn jedoch aufgrund der engen Integration (evtl. sogar durch geografische Nähe und integrierte Prozesse) ein struktureller Kosten- und Kapitalbindungsvorteil - zum Beispiel durch reduzierte Logistikkosten und Bestände - entsteht, kann sich ein sinnvolles Geschäftsmodell ergeben.

Bei der Gestaltung der Wertschöpfungsarchitektur müssen sich die Betroffenen damit beschäftigen, ob die Bereiche Produktion, Logistik, F & E, Verwaltung und andere mehr zielgerichtet aufgestellt sind. Wo liegen die Stärken und Schwächen im Vergleich sowohl zum direkten Wettbewerb, aber auch im Vergleich zu branchenfremden Spitzenunternehmen? Möglicherweise führt dieser Gedankengang zu dem Ergebnis, dass etwa die Wertschöpfungstiefe zu hinterfragen ist. Soll beispielsweise ein kostengünstiger Zugriff auf Rohstoffe durch Rückwärtsintegration gesichert werden? Auch Partnerschaften können echte Wettbewerbsvorteile generieren. Dabei gilt es sicherzustellen, dass Handelsmarkenhersteller in puncto Effizienz zu den Branchenbesten gehören und Kernkompetenzen bewusst (weiter-) entwickelt werden, mit denen man sich zukünftig im Markt und Wettbewerb behaupten kann.

Aber auch ein (Teil-)Ausstieg kann eine sinnvolle strategische Alternative sein. Falls Unternehmenswert vernichtet wird und man keine umsetzbare Lösung findet, ist ein "Ende mit Schrecken" besser als ein "Schrecken ohne Ende". Unternehmen, die in der Insolvenz landen, haben eben diese Tatsache nicht wahrhaben wollen und haben es verpasst, entweder rechtzeitig die strategische Richtung zu ändern, oder eben einen Verkauf zu realisieren.
Der Weg zu einem profitablen und wertsteigernden Geschäftsmodell kann nur mit einer schlüssigen Strategie gelingen, die die eigenen Stärken nutzt und damit Chancen im Markt ausschöpft. Dabei gilt es, die möglichen Alternativen sorgfältig zu erarbeiten und zu bewerten. Insgesamt ist das Geschäftsmodell so zu gestalten, dass die Marktausrichtung optimal mit der Wertschöpfungsarchitektur synchronisiert ist.

Dieser Artikel wurde am 23. Mai 2014 in der Lebensmittel Zeitung veröffentlicht, auch > hier zu lesen.
 
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