Die Zahl der Insolvenzen vieler namhafter Unternehmen der Fashion- und Lifestylebranche hat in den letzten Wochen stark zugenommen. Wo sind die Zukunftskonzepte geblieben? Wo steht die Branche heute? Was zeichnet die Strategien der Gewinner aus? Beim W&P Digital Event „fashion.fast forward! or downward?" standen diese Fragen im Fokus der namhaften Referenten von Schmid Group, Tiger of Sweden und Oberalp Group.
„Die Marktsituation ist differenziert zu betrachten, aber in vielen Segmenten schwierig“, so Gastgeber und Branchenexperte Philipp Trompeter einleitend. Die Umsätze bei Schuhen und Bekleidung sind seit 2019 rückläufig, im Sportbereich hingegen leicht steigend – für 2023 wird sogar ein teilweise starkes Wachstum prognostiziert. Trompeter relativiert: „Das Umsatzwachstum ist vor dem Hintergrund von Lockdowns im Vorjahr und der Preissteigerung durch Inflation zu sehen. Zudem stehen den Umsätzen teils massive Kostensteigerungen gegenüber.“
Vor diesem Hintergrund ist eine ehrliche und neutrale Überprüfung des Finanzstatus und der Break-Even Situation unabdingbar – völlig unabhängig vom Segment. Wichtig dabei: Restrukturierungsmaßnahmen müssen sich im EBITDA und in der Bilanz widerspiegeln, entsprechende Szenarien müssen quantifiziert werden. Schließlich sei „Restrukturierung Gestaltung und Wachstum – aber auch Effizienz und Überleben“, so W&P Managing Partner Volker Riedel.
Operative Stellhebel bieten ein hohes Potenzial zur Ergebnisverbesserung, weiß auch Steve Kirchner, Country Director Central Europe, Tiger of Sweden. Mit dem Wiederaufbau und der Steigerung des Markenwerts, internationalem Wachstum, einer finanziellen Restrukturierung sowie der Forcierung der Digitalisierung hat sich der Fashion-Player robust aufgestellt: „Wir haben schon viel durchgemacht! Das erfordert Resilienz!“
Auch Oberalp durchläuft eine Transformation: „Wir überlegen ständig, wie wir unser Geschäft neu denken können, stellen unser Geschäftsmodell laufend auf den Prüfstand“, so Stefan Rainer, Chief Sales Officer (CSO) der Oberalp Gruppe. Denn: Neue Kundengenerationen gehen mit Unternehmen hart ins Gericht, Marken müssen Stellung beziehen und eine klare Haltung einnehmen. Zudem verändert die Digitalisierung die gewachsene Vertriebslandschaft und verschiebt die Machtverhältnisse zwischen Unternehmen und Kunden. Nicht zuletzt beeinflusst der Klimawandel die Geschäftsmodelle der Unternehmen nachhaltig. Für Rainer ist es deshalb entscheidend, jetzt die richtigen Fragen zu stellen: „Nicht wie groß, sondern wie gut ist das Geschäft für die langfristige Entwicklung unserer Marken, die unser höchstes „Unternehmens-Gut“ sind? Wo entsteht der größte Kundennutzen in unserem People Business?“ Aus der Beantwortung dieser Frage ergebe sich der Wert für das Unternehmen.
„Wir haben in der gesamten Branche immer noch große Probleme mit der Umsatzplanung und -erzielung. Die Kostenstruktur muss an den Kern des Geschäftsmodells und an einen realistischen Umsatz angepasst werden – auch wenn man dafür harte Schritte gehen muss“, ergänzt Jens Bächle, CFO der Schmid Gruppe. „Sich nur blauäugig auf höhere Umsatzziele zu konzentrieren, um die Kostensituation zu decken, das wird nicht funktionieren!“ Das zeigten auch die aktuellen steigenden Insolvenzfälle, die Bächle nicht überraschend findet.
Fazit des Abends: Vor allem Player im Bereich Mode & Schuhe stehen aktuell unter Druck: Alle Hebel, die Potenziale zur Ergebnisverbesserung bergen, müssen jetzt in Bewegung gesetzt werden. Dazu gehören eine differenzierte Markenpositionierung, eine auf die Marke ausgerichtete Vertriebsstrategie, professionell beherrschte Vertriebskanäle, Lieferfähigkeit trotz Supply Chain Disruptionen und eine flexible Unternehmensorganisation. In aktuell geopolitischen und wirtschaftlichen unsicheren Zeiten brauchen Unternehmen eine große Portion Zuversicht, eine Vision und: Sie müssen die Menschen mitnehmen.