Die Vereinten Nationen haben 2012 zum internationalen Jahr der Genossenschaften erklärt: Das Genossenschaftswesen und seine Grundwerte erleben eine Renaissance. Unternehmen dieser Rechtsform erwirtschaften rund 7 Prozent des Bruttoinlandproduktes, weisen statistisch die mit Abstand höchste Eigenmittelquote auf und haben gleichzeitig die geringste Insolvenzquote - also gute Voraussetzungen für eine positive Einschätzung durch Kreditgeber? Nein, im Gegenteil. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie "Genossenschaften aus Finanzierersicht" von Dr. Wieselhuber & Partner, an der 175 Entscheider aus dem gesamten Bankensektor teilgenommen haben. Genossenschaften können demnach bei der Fremdkapitalversorgung nicht von der gesellschaftlichen Wertediskussion und dem positiven Image der Rechtsform profitieren.
Denn für rund die Hälfte der Befragten - davon rund 44 Prozent in der Firmenkundenbetreuung und 35 Prozent in der Sanierung oder Sonderbetreuung - hat die Rechtsform der Genossenschaft einen negativen Einfluss auf das Unternehmensrating. Die Hauptgründe: Die Zwitterstellung der Mitglieder, die gleichzeitig Lieferanten-, Abnehmer- und Gesellschafterposition einnehmen (64 Prozent) sowie eine kleinteilige Gesellschafterstruktur (56 Prozent), die sich gerade in Krisensituationen negativ auswirken kann. Kritisch sehen die Banker auch die ehrenamtlichen Aufsichtsgremien und die Höhe der Eigenkapitalausstattung von Genossenschaften. Die Folge: Die Bereitschaft der Banken, genossenschaftliche Unternehmen zu finanzieren, ist bei nahezu der Hälfte der Befragten grundsätzlich gering und wird sich künftig noch weiter verschlechtern. Lediglich 22 Prozent stehen Finanzierungsanfragen von Genossenschaften generell positiv gegenüber und nur 10 Prozent sehen zukünftig eine höhere Finanzierungsbereitschaft.
Christian Groschupp, Senior Manager im Bereich Restructuring & Finance sowie Initiator der Studie weiß: "Die Finanzierungsaussichten für genossenschaftliche Unternehmen verschlechtern sich tendenziell. Der Einfluss von Basel III spielt hier eine entscheidende Rolle, denn: Genossenschaften wird die Erfüllung der verschärften Kreditanforderungen nur sehr eingeschränkt zugetraut." Die Umfrageergebnisse unterstreichen diese Aussage: Die Eigenkapitalanforderungen sind sogar höher als an andere Rechts- und Unternehmensformen.
Nach Meinung der befragten Banker müssen sich vor diesem Hintergrund Genossenschaften in Zukunft verstärkt über Innenfinanzierung, wie zum Beispiel Gewinnthesaurierung oder Ertragssteigerung sowie Gesellschaftermittel finanzieren. Die klassische Fremdkapitalbeschaffung über Bankdarlehen hingegen wird stark an Bedeutung verlieren und teilweise durch Asset-basierte Finanzierungsformen wie Leasing oder Factoring ersetzt werden müssen.
"Die Genossenschaften müssen jetzt ihre Ärmel hochkrempeln und Eigenkapital beschaffen! Nur so können sie ihre rechtsformspezifischen Nachteile überwinden", rät Groschupp deshalb. Ein wesentlicher Hebel hierfür ist ein robustes und zukunftsfähiges Geschäftsmodell, das sowohl den starken Schwankungen der Märkte als auch unternehmensinternen Veränderungen standhält - in dieser Frage sind sich über 90 Prozent der Studienteilnehmer einig.
Weitere Informationen zur Studie auf Anfrage.