W&P Kommentar
München, 25.10.2016

Produktmanagement: Ein alter Hut?

Kommentar von Dr. Stephan Hundertmark, Senior Manager bei Dr. Wieselhuber & Partner
Dr. Stephan Hundertmark
Senior Manager 

Produktmanagement scheint ein alter Hut zu sein. Und doch: Mittelständische Unternehmen revitalisieren zunehmend vorhandene Strukturen zum Produktmanagement oder führen die Funktion gar neu ein. Der Treiber? Die Erkenntnis, dass mit dem Produktmanagement eine unternehmerische Perspektive unterhalb der Geschäftsführung geschaffen wird, die in Zeiten volatiler Märkte, steigender Wettbewerbsintensität im globalen Wettbewerb und neuen Herausforderungen aus der Digitalisierung wichtiger denn je ist.

Das „Ein-Produkt-Unternehmen“ gibt es nicht mehr
Mit zunehmendem Wettbewerb differenzieren Unternehmen ihre Leistungen und Produkte vermehrt in unterschiedlichen Marktnischen – unterschiedliche Wettbewerber, Konjunkturzyklen und Geschäftsmodelle zur erfolgreichen Marktteilnahme sind an der Tagesordnung. Hinzu kommt: Die Halbwertszeit „echter“ Differenzierung in den Marktnischen wird kürzer. Sie nimmt im gleichen Maße ab, wie die Verfügbarkeit und Geschwindigkeit von Informationsflüssen zunimmt. Aus einem Innovationswettbewerb wird somit schnell ein Commodity-Wettbewerb mit Produkten vergleichbarer Leistungseigenschaften, hoher Preistransparenz und somit hohem Preis- und Margendruck. Auf das resultierende Bündel spezifischer Management-Herausforderungen in den einzelnen Produktmärkten gibt es nur eine Antwort: Die konsequente Dezentralisierung des Unternehmertums. Konzerne schaffen deshalb eigenständige strategische Geschäftseinheiten - in mittelständischen Unternehmen ist dies aufgrund der jeweiligen Geschäftsgröße meist jedoch nicht sinnvoll. Doch wer kann diese Aufgaben dann übernehmen?

Produktmanagement mit unternehmerischer Handlungsperspektive
Eine Option: Das Produktmanagement, das als Querschnittsfunktion mit unternehmerischer Perspektive, von der Chance am Markt bis zum langfristigen unternehmerischen Ergebnis denkt und handelt. Es wird zum „Intrapreneur“ im Unternehmen.

Der Funktionsnutzen des Produktmanagements für ein Unternehmen steht und fällt mit der „richtigen“ und konsequenten Einordnung in das Gesamtunternehmen. Als Querschnittsfunktion mit Erfolgsverantwortung und zugleich ohne Weisungsbefugnis braucht es eine klare Stellenbeschreibung: Was soll es leisten? Wo soll der Verantwortungsbereich beginnen und wo enden? Damit einher geht die Integration in die vorhandene Funktionsorganisation mit eindeutig definierten Schnittstellen. Unklar abgegrenzte Verantwortungsbereiche zum Vertrieb, zum Marketing und zur Produktentwicklung sind der häufigste Grund, dass Erwartungen an das Produktmanagement nicht erfüllt werden (können). Schließlich muss der formal definierte Organisationsrahmen aus Stellenbeschreibung und Schnittstellendefinition mit Inhalt gefüllt werden: Die übergeordnete Zielsetzung und Aufgabenstellung wird als Funktionalstrategie aus der Unternehmensstrategie abgeleitet und kommuniziert.

Der Anspruch an Produktmanager als „Intrapreneure“ für ihr Produktspektrum unternehmerisch, langfristig und erfolgsorientiert zu agieren, macht in Zeiten dynamischer und komplexer Märkte ein umfassendes Kompetenzprofil nötig. Der erforderliche Inhalts- und Methodenbaukasten für Produktmanager beinhaltet drei Dimensionen:

  • Das Where to play umfasst mit der Segmentierung und Qualifizierung von Märkten die analytische Grundlage für die Selektion heute und zukünftig attraktiver Marktsegmente für Produkt- und Leistungsangebote. Anhand von Marktforschung werden Märkte, Absatzkanäle, Wettbewerber und technologische Entwicklungen erfasst, beschrieben und z.B. im Marketing Factbook festgehalten. Kontinuierlich aktualisiert, ist das Marketing Factbook die strategische- analytische Plattform, zur Definition des eigenen Produktangebots.

  • Mit dem How to play ist das Sortiment definiert. Die analytische Grundlage für die erfolgreiche Positionierung zum Kunden und Differenzierung zum Wettbewerb sind dazu die Identifikation von Produktlücken in Wettbewerbssortimenten, belastbare Consumer Insights und die Definition einer konsistenten eigenen Sortimentsstrategie. Das Ergebnis: Ein bis auf einzelne Produktgruppen und Produkte heruntergebrochenes Produktportfolio Management.

  • Die Ability to play ist bestimmt durch die Kompetenzen und das Schnittstellenmanagement im Lebenszyklus zur operativen Umsetzung des Portfoliomanagements. Dies umfasst die Begleitung der Produktentwicklung, die Produkteinführung, das Management der Bestandsprodukte sowie die konsequente Ablösung von Altprodukten. In diesem Alltagsgeschäft muss das Produktmanagement beweisen, dass es die Erwartungen erfüllen kann. Grundlage dafür ist eine konsequente Steuerung aller Aktivitäten über KPI und ein Performance Measurement der Produkte, das zugleich Abstimmungen mit den anderen Fachfunktionen versachlicht und an belastbaren Kennzahlen ausrichtet.

Fazit:
Produktmanagement ist die unternehmerische Perspektive, die im Tagesgeschäft der Fachfunktionen häufig untergeht aber in Zeiten dynamischer und kompetitiver Märkte unerlässlich ist. Halbherzige Lösungen verursachen unnötige „Reibung“ im Unternehmen, weil eine wesentliche Säule des Markterfolges nicht trägt. Als Funktion passgenau implementiert, mit der notwendigen Inhalts- und Methodenkompetenz ausgestattet und konsequent umgesetzt, können gerade mittelständische Unternehmen von dieser zusätzlichen unternehmerischen Ebene in der Organisation nur profitieren.
 
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