W&P Kommentar
München, 06.09.2016

NGOs und NPOs im 21. Jahrhundert

Kommentar von Daniel Emmrich, Senior Consultant, Dr. Wieselhuber & Partner
Daniel Emmrich
Senior Consultant 

Die Anforderungen an Compliance und Controlling treffen nicht nur Unternehmen, Wirtschaftsorganisationen und Regierungen sondern auch NGOs. Der Kulturschock ist gerade hier besonders groß, denn die Menschen, die hier arbeiten, wollen an erster Stelle helfen - unabhängig davon, ob es gerade zu den Compliance-Vorgaben passt oder nicht. Dabei sind NGOs derzeit zusätzlich gefordert: Sie können zwar vor Ort Mittel von öffentlichen Organisationen und Regierungen meist effizient und wirkungsvoll einsetzen, aber eben nur, wenn damit verbundene Anforderungen erfüllt werden. In einer globalisierten und zunehmend digital vernetzten Welt sind die Anforderungen hinsichtlich Transparenz gegenüber Spendern und Geldgebern deutlich gewachsen. Deshalb müssen sich vor allem internationale Hilfsorganisationen darauf vorbereiten, dieser Anforderung kurzfristig Rechnung zu tragen.
 
Professionalisierung der Organisations- und Prozessstrukturen
Die zeitnahe Bereitstellung der Mittelverwendungsnachweise kann in bestehenden und historisch gewachsenen Organisationen zu erheblichen finanziellen und arbeitszeitlichen Mehraufwand führen. Entsprechend sollten Organisationsstrukturen und interne Prozessabläufe professionalisiert werden, um den Mehraufwand zu reduzieren. Dies stellt viele NGOs und NPOs vor einen internen Konflikt: Zum einen möchte man im Bereich der Administration so sparsam wie möglich agieren, zum anderen herrscht in NGOs und NPOs ein Höchstmaß an Wertorientierung, die meist einer professionellen bzw. kapitalorientierten Organisationsstruktur entgegensteht. Eine Überführung von traditionellen, teils familiären Werten einer Organisation in eine professionelle, unternehmensnahe Struktur ohne den Verlust der Wertorientierung gelingt nur, wenn man die Notwendigkeit der Professionalisierung mit den traditionellen Werten motiviert und die Akzeptanz der neuen Strukturen von Beginn an mit der ursprünglichen Zielsetzung der Organisation vereinen kann.
 
Vertikale und horizontale Controlling-Instrumente etablieren
Controlling-Instrumente, die vom Geldeingang bis zur finalen Geldverwendung jeden Schritt dokumentieren, garantieren Transparenz. Demnach müssen geeignete Controlling- Prozesse konstituiert werden, die sowohl die administrativen als auch die operativen Abteilungen in den Zielregionen verbinden. Der uneingeschränkte Zugriff auf die operativ agierenden Abteilungen und die Partnerorganisation muss global gewährleistet sein und zeitlich sowie geographisch unabhängig werden. Nachhaltiges globales Controlling im Bereich der Entwicklungshilfe setzt eine enge systemseitige Verknüpfung der beteiligten Organisationen bzw. Organisationseinheiten voraus. Auch wenn es sich im ersten Schritt um eine Investition handelt, die nicht in direktem Zusammenhang mit den Werten und Zielen der Organisation steht, führt sie zu völlig neuen Möglichkeiten Spender und institutionelle Geldgeber zu binden. Auch neue Optionen im Bereich des Fundraising entstehen, da schnell und effizient Informationen über die Mittelverwendung geliefert werden kann.
 
Infrastrukturelle Voraussetzungen in den Schwellenländern und technologische Partnerschaften
Die Einführung eines globalen Controlling-Systems setzt gewisse infrastrukturelle Bedingungen voraus. Die Verfügbarkeit eines Internetzugangs und nahezu uneingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten bis hin in die peripheren Gebiete dieser Welt, haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Insbesondere große Technologieunternehmen sind für strategische Partnerschaften in diesen Ländern aufgeschlossen. Alltagsprobleme wie Stromversorgung und temporär unterbrochene Telefonnetzanbindung werden zwar weiterhin bestehen, allerdings zeigt die Entwicklung der letzten Jahre, dass diese Probleme deutlich zurückgehen und somit ein zeitnaher Informationsfluss gewährleistet werden kann.
 
Verständnis für grundlegend unterschiedliche Kulturen und Handlungsweisen
Eine globale, systemseitige Vernetzung zwischen Industrie- und Schwellenländern führt zu einer weiteren großen Herausforderung: Das Verständnis für die involvierten Personen und deren Kultur im Mittelpunkt einer erfolgreichen globalen Vernetzung. Die westlichen Gesellschaften neigen dazu, das eigene Wertesystem auf andere Länder und Kulturen zu übertragen, bzw. nationale Maßstäbe auch international anzulegen. Insbesondere die Einführung von detaillierten Controlling-Instrumenten kann in einem Entwicklungsland zu großen Konflikten führen, da so Misstrauen gegenüber den dort handelnden Personen suggeriert werden kann. Dies führt schnell zur zentralen Frage der "Compliance" in den jeweiligen Zielländern. Größte Herausforderung hierbei: Den moralischen Spagat zwischen einem "deutschen Unrechtsempfinden" und einem Unrechtsempfinden in einem Entwicklungsland zu meistern und bei der Konfiguration der Systeme zu berücksichtigen. Alle involvierten Personen müssen deshalb die Abläufe und Zusammenhänge des Ziellandes - sowohl organisatorisch wie politisch - im Detail kennen. Gelingt es diesen kulturellen Erkenntnissen langfristig Rechnung zu tragen, erreicht man damit auf der einen Seite ein nachhaltiges Verständnis und Akzeptanz der neuen Strukturen und optimiert auf der anderen Seite gemeinsam mit lokalen Mitarbeitern die Organisation hinsichtlich der Compliance- Fragen.
 
NGOs und NPOs, die sich frühzeitig den Herausforderungen und Anforderungen des 21. Jahrhunderts stellen, reduzieren das Risiko, in einer digitalen Welt medial in Verruf zu geraten und sorgen für eine nachhaltige Zukunftsfähigkeit in einem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld. 
 
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