W&P Kommentar
München, 11.10.2022

Molkereibranche: 10 Impulse für die Zukunftsfähigkeit

Kommentar von Dr. Stefan Kemp, Leiter Konsumgüter & Handel bei Dr. Wieselhuber & Partner
Dr. Stefan Kemp
Leiter Konsumgüter & Handel 

Situative Veränderungen in der deutschen Molkereibranche erfordern momentan den vollen Einsatz aller Führungskapazitäten. Gleichzeitig nimmt der strategische Transformationsdruck durch neue Technologien, politische Umbrüche, gesellschaftlichen Wertewandel und internationalen Wettbewerb täglich zu. Das erfordert Kraft für Kursanpassungen, die für viele Player aktuell kaum zu mobilisieren zu sein scheint.

Wer in dieser Gemengelage jedoch nicht nur Brände löschen, sondern dem Transformationsdruck strategisch begegnen will, sollte entlang folgender 10 Impulse schrittweise eine zukunftsfähige Perspektive entwickeln:

  1. Proteinalternativen auf den Radar nehmen
    Alternative Proteine sollten als Chance begriffen werden. Proteine aus Fermentation sind dezentral produzierbar, kostengünstig und nachhaltig. Nicht ohne Grund sind die Wagniskapitalflüsse in diese Technologien erheblich.

  2. Nachhaltigkeit strategisch verankern
    Nachhaltigkeit muss strategisch auf der Unternehmensagenda verankert werden. Jüngere Generationen fordern hierzu volle Transparenz. Ihre Werthaltungen wirken sich auf das Konsumverhalten und die Markenwahl aus.

  3. Marken- und Marketingleistungen anpassen
    Traditionsmarken müssen die eigenen Marken- und Marketingleistungen im Portfolio sowie ihre Omnichannel-Präsenz auf digitalen Plattformen, im Social-Commerce und bei Schnelllieferdiensten überprüfen. Vermarktungs- und Kommunikationsinnovationen sind erforderlich, um vor allem jüngere Generationen auf ihrer Customer Journey besser zu erreichen.

  4. Challenger Brands als Chance begreifen
    Innovative, derzeit noch vor allem pflanzliche Milchalternativen, drängen mit Challenger Brands und Start-up Spirit in die Regale. Es gilt diese neuen Marken vorurteilsfrei zu analysieren und Lernkomponenten für das eigene Geschäft herauszuarbeiten.

  5. Innovationskraft im „War for Milk“ steigern
    Geringe Innovationskraft führt zu generischen Sortimenten mit sinkender Profitabilität. Steigende Milchauszahlungspreise können dann kaum noch gestemmt werden. Strategische Innovationen von heute garantieren mit guter Profitabilität einen wettbewerbsfähigen Milchauszahlungspreis von morgen.

  6. Produktion zukunftsfähig ausbauen
    Viele Produktionsstätten sind nicht mehr state-of-the-art. Die Entwicklung und Umsetzung einer smarten, zukunftsfähigen Operations-Agenda bei der lean, green und digital Hand in Hand gehen, ist Pflicht für Profitabilität und Nachhaltigkeit.

  7. Finanzierungsarchitektur überdenken
    Die Anforderungen an die Relation von Eigenkapital- zu Fremdkapitalausstattung seitens der Finanzierer steigen. Erforderlich sind maximale Transparenz - z. B. in Bezug auf Ertrags-/Verlustquellen, Planung, Finanzierung und Kapitalbedarfe - und langfristige Finanzierungskonzepte, um z. B. Innovationsthemen entsprechend umsetzen zu können.

  8. Organisationspotenziale heben
    Das Image als Arbeitgeber muss attraktiver werden, um Talente anzuziehen. Anstehende Generationswechsel sind ein kritischer Erfolgsfaktor für Kontinuität und Wandel und zeitgleicheine Gelegenheit für wirksames Employer Branding, um für Bewerber erste Wahl zu sein.

  9. Business Continuity Management aufbauen
    Mit Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg wächst die Bedeutung alternativer Abläufe und Szenario-Entwicklung deutlich. Um vorbereitet zu sein, heißt es bei Schlüsselthemen wie alternativer Energieversorgung oder der Sicherheit der Supply Chain auf exogene Störungen vorbereitet zu sein und das Geschäft weiter betreiben zu können.

  10. Brände löschen
    Unsicherheit bei der Energieversorgung, Inflation, schlechtes Konsumklima, Personalmangel und eine weitere Corona-Welle.: Das operative Tagesgeschäft bindet Managementkapazitäten. Organisiertes Krisenmanagement ist Pflicht für das Top-Management in der Molkerei-Branche.

Fazit
Das Management situativer Veränderungen und der strategische Transformationsdruck passieren zeitgleich. Inhaltlich sind sie jedoch nicht zwingend miteinander verbunden. Ein „nacheinander abarbeiten“ funktioniert nicht, weil strategische Transformation ohne Rücksicht auf die situativen Krisen stattfindet.
Das erzeugt eine erbarmungslose Situation, die in eine strategische Sackgasse führt, wenn nur im Hier und Jetzt akute Brände gelöscht werden ohne Blick auf strategische Perspektiven. Gefragt sind jetzt ein planvolles Vorgehen und eine kluge Priorisierung. Nur wer heute die Zukunft im Sinn hat, für den klappt es auch mit dem Morgen und Übermorgen.
 
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