W&P Kommentar
München, 17.08.2022

Standorte neu gedacht: Szenarien-basierte Neukonfiguration des Produktionsfootprints

Von Daniel Fuchsberger, Partner Dr. Wieselhuber & Partner
Daniel Fuchsberger
Partner 

Nicht nur Großkonzerne, sondern auch die meisten mittelständischen Unternehmen agieren in internationalen Beschaffungs-, Produktions-, und Logistik- Netzwerken. Aufgrund des strategischen Charakters sowie der hohen Ergebnis- und Working Capital-Auswirkungen sollten Standortentscheidungen gut überlegt sein, um die Ertragskraft und Liquidität dauerhaft zu sichern.

Viele Unternehmen beschäftigen sich gerade mit folgenden, typischen Kernfragen der Standortentwicklung:

  • Wie viele Standorte sind erforderlich?
  • Reichen die vorhandenen Kapazitäten aus, um weiteres Wachstum zu realisieren?
  • Sind die Standorte unterausgelastet und verursachen Leerkosten?
  • Wie hoch sollte die Wertschöpfungstiefe der einzelnen Standorte sein?
  • Wie hoch sind die Einsparpotenziale durch „Redimensionierung“, also den Abbau von Überkapazitäten im Produktions- und Logistiknetzwerk?
  • Welche Rolle haben die einzelnen Standorte im zukünftigen Werksverbund?
  • Ist ein zentrales Werk mit hohen Skaleneffekten besser als kundennahe, dezentrale Standorte? 

Zur Beantwortung dieser Fragen sollte eine fundierte Entscheidungsvorlage erarbeitet werden, um das Unternehmen dauerhaft wettbewerbsfähig und krisenfest aufzustellen. Grundlage dafür ist immer eine Annahme über die zukünftige Entwicklung von Umsatz und Absatz in den Zielregionen des Unternehmens.
Da die Zukunft aufgrund der zunehmenden Volatilität der Märkte – nicht erst seit der Pandemie – immer schwieriger zu prognostizieren ist, sollte nicht mehr nur eine einzige, starre Mittelfristplanung erstellt werden, sondern vielmehr verschiedene Szenarien erstellt und simuliert werden.

Im Operations-Kontext geht es dabei um die Entwicklung und Bewertung unterschiedlicher Standortszenarien auf Basis von differenzierenden Annahmen über das zukünftige Produktionsvolumen und über die Produktkalkulation zu den Standorten. Die Herausforderung besteht darin, gleichzeitig die operations-relevanten Aspekte (z. B. Kapazitätsauslastung und Mitarbeiterbedarf je Maschine) mit finanzwirtschaftlichen Aussagen zu Investitionsbedarf, Working Capital und GuV-Effekte zu verknüpfen, um alle Stakeholder mit ihren spezifischen Informationsbedarfen versorgen zu können. Im Ergebnis sollte eine belastbare Quantifizierung für die verschiedenen Umsatz- und Standortszenarien vorliegen sowie eine Umsetzungsempfehlung mit konkretem Fahrplan zur sukzessiven Transformation vom Ist- in den Soll-Zustand.
Projektbeispiel
W&P begleitete einen mittelständischen Automobilzulieferer bei der Neuaufstellung des Produktionsfootprints, da der Hersteller von Aluminiumdruckguss-Komponenten unter den Folgen des Wandels in Richtung Elektromobilität und dem Nachfrageeinbruch in der Pandemie in eine Ergebniskrise geraten ist. Der Fokus des W&P-Projekts lag von Beginn an auf der Neukonfiguration des Produktionsfootprints, um relevante Kostenpositionen zu adressieren. Jedes der vier deutschen Werke produzierte bereits vor der Pandemie unterhalb der möglichen Kapazitäten – bei gleichzeitig negativen Umsatzprognosen. Die in der Automobilindustrie vorherrschende Unsicherheit machte Zusagen für Neugeschäfte zur Steigerung der Auslastung nicht möglich. Die Schließung einer oder mehrerer der vier Standorte und die Konsolidierung der Kapazitäten war somit die logische Konsequenz.

Vorgehensweise
Um den Erfolg des Projektes zu gewährleisten, galt es vor allem von Beginn an sicherzustellen, dass alle Stakeholder, bestehend aus den Eigentümern, der Geschäftsführung und den Werkleitern mit W&P an einem Strang ziehen. Im Ergebnis der ersten Abstimmung konnten vier Kernszenarien zur Anpassung des Produktionsfootprints definiert und wesentliche Leitplanken des Projektes festgelegt werden. Aufgrund des negativen Absatzrückgangs wurde in diesem Fall nur ein Umsatzszenario unterstellt, das konservativ auf ein sehr niedriges und somit auf jeden Fall zu erreichendes Umsatzniveau ausgelegt war.
Zur Erstellung einer Entscheidungsvorlage bestand die Kernaufgabe darin, die Profitabilität der vier Szenarien und die entstehenden Einmalkosten zu quantifizieren sowie die relevanten Entscheidungskriterien aufzuzeigen. Neben dem Quick-Check jedes der Werke zur Aufnahme standortspezifischer Gegebenheiten und produktionstechnischer Schwerpunkte stand vor allem der Aufbau einer soliden Zahlenbasis im Vordergrund.

In dem von W&P erstellten Kapazitäts- und Quantifizierungsmodell wurden zukünftige Anlagenauslastungen, Einmalkosten für Verlagerungen, Investitionskosten, Abfindungen sowie die jährlichen Betriebskosten für die vier Szenarien berechnet. Erfolgsfaktoren im Projekt waren vor allem der hohe Detailgrad, der sich beispielsweise bei der Berechnung der Anlagenauslastungen auf Basis der Schusszahlen der einzelnen Produkte je Druckgussanlage zeigte, da dies nicht nur die Ebene der anfangs teilweise kritischen Werkleiter, sondern auch die anderen Stakeholder von der Solidität der berechneten Szenarien überzeugt hat. Darüber hinaus war die Kombination von Operations- und betriebswirtschaftlicher Kompetenz entscheidend für die Glaubwürdigkeit und die Akzeptanz der erarbeiteten Entscheidungsgrundlage.

Ergebnis
Das einzig profitable Szenario hatte die Schließung von zwei der vier Werke zur Folge. Im Ergebnis des Projektes lag ein detailliert ausgearbeiteter Zeitplan für die Verlagerungen, Schließungen und den Hochlauf der Standorte vor, der inzwischen 1:1 umgesetzt wurde. Die aktuelle Zeit ist durch Krisen, Volatilität und eine nur schwer vorhersehbare Zukunft geprägt. Umso wichtiger ist es, dieser Unsicherheit proaktiv durch die Bewertung verschiedener Umsatz- und Absatz-Szenarien entgegenzuwirken, um später die passende und vorgedachte Lösung zur Gestaltung der Wertschöpfungsarchitektur „aus der Schublade ziehen“ zu können.

Fazit
Die aktuelle Zeit ist durch Krisen, Volatilität und eine nur schwer vorhersehbare Zukunft geprägt. Umso wichtiger ist es, dieser Unsicherheit proaktiv durch die Bewertung verschiedener Umsatz- und Absatz-Szenarien entgegenzuwirken, um später die passende und vorgedachte Lösung zur Gestaltung der Wertschöpfungsarchitektur „aus der Schublade ziehen“ zu können.
 
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