W&P Kommentar
München, 16.07.2020

Nachdenken & Vordenken

Kommentar von Prof. Dr. Norbert Wieselhuber, Managing Partner, Dr. Wieselhuber & Partner GmbH
Prof. Dr. Norbert Wieselhuber
Managing Partner 

Jetzt ist es Zeit, allerhöchste Zeit über Fortschrittsfähigkeit, Zukunftsperspektive und Neukonfiguration des Unternehmens nachzudenken und durch individuelle und kollektive Intelligenz Wettbewerbsvorteile zu generieren, um schneller und gezielter in die neue Wirklichkeit zu starten. Die Zeit dafür sollten man sich nehmen und man hat sie auch.

Die operative Hektik, die Wachstumsdynamik, der Glaube an „alles ist planbar“ und das „Management-Dogma“ der Unfehlbarkeit, das „Notinvented- here-Syndrom“ und die Zeitnot haben häufig daran gehindert systematisch, kritisch und kreativ über das Erreichte und die Zukunft nachzudenken. Ein Fehler, der sich immer in schwierigen Situationen, in Unternehmens- und Marktkrisen gravierend, ja existenzbedrohend bemerkbar macht.

Leider bedarf es externer, exogener Katastrophen, damit diese Denkprozesse angestoßen werden. Verdrängung, Fehleinschätzung, Heldentum, Angstblockaden, Nutzung alter Patentrezepte etc. verzögern die Reaktion auf diese Ereignisse. Für die aktuelle „Corona-Krise“, die in ihrer Intensität, ihrem globalen Ausmaß, ihrer Bedrohung für Menschen, Gesellschaft, Institutionen und nicht zuletzt für die Wirtschaft mit keiner Krise aus der jüngsten Vergangenheit vergleichbar ist, gibt es keine „Blaupause“ zur Krisenbewältigung. Dies wird dazu führen, dass Unsicherheit zu Fehlern und Irrtümern führt. Der größte Fehler, wäre nichts zu tun. Dies trifft im Übrigen auch auf Unternehmen zu. Entscheiden unter Unsicherheit und unter unzureichender Information ist bei strategischen Entscheidungen unternehmerischer Alltag. Das Denken in unterschiedlichen Szenarien, mit verschiedenen Chancen- und Risikoprofilen und Eintrittswahrscheinlichkeiten kennzeichnet erfolgreiche und souveräne Führungspersönlichkeiten. Es bleibt jedoch nicht dabei, sondern die konsequente Umsetzung, aber auch die rechtzeitige Korrektur von Entscheidungen gehören dazu.

In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass Entscheidungen von Menschen, mit unterschiedlichen subjektiven Risikoprofilen getroffen werden – vom Zocker bis hin zum vorsichtigen, vorsorgenden ordentlichen Kaufmann. Letzterer war, oder ist wohl aus der Mode gekommen, was sich jetzt an der unzureichenden Absicherung von Ressourcen, Lieferketten, aber vor allem an mangelnder Liquidität und Bonität zeigen.

Auch wenn die Feststellung „jede Krise ist auch eine Chance“ zu einer Sprechblase verkommen ist und eher nach „Pfeifen im Wald“ des Ängstlichen klingt, trifft sie auch zu. Wenn man die Ursachen der Krise erkennt, sie in ihren Auswirkungen richtig interpretiert und sie im Sinne einer ganzheitlichen, vernetzten „Behandlung“ auch therapiert, dann kann eine nachhaltige Krisenbewältigung gelingen. Reset, unter dem Motto „wir machen danach weiter wie bisher, vielleicht nur ein „bisschen schlanker“ und ein wenig vorsichtiger ist nicht angesagt.

Restart, Neukonfiguration des Unternehmens, veränderte, wirksamere Ressourcenallokation, Fokussierung und Priorisierung sind die relevanten Aufgaben. Die möglichen Zukunftswelten, das Zukunftsbild sollen einen „Pull-Effekt“ auf das Unternehmen ausüben. Dem gegenüber steht die „Push-Funktion“ des Unternehmens mit seinen Möglichkeiten, den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden und daraus Erfolge zu generieren. Dies wird nur gelingen, wenn konstruktive Kritik, nicht die Klärung der Schuldfrage, eine offene, kreative Kultur, Intelligenz und Erfahrung, Erfolgswille und der bereichsübergreifende Dialog um die besten, passenden Lösungen herrschen.
 
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