Kommentar von Dr. Stephan Hundertmark, Mitglied der Geschäftsleitung und Daniel Fuchsberger, Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner
Dr. Stephan Hundertmark
Partner
Daniel Fuchsberger
Partner
Komplexität hat im Unternehmenskontext immer einen schalen Beigeschmack. Der Begriff steht synonym für Effizienzverluste, zusätzlichen Management-, Handlings- und Planungsaufwand und ganz allgemein für ein „zu viel“. Vergessen wird dabei oft, dass Komplexität als Angebotsvielfalt und Anpassungsgeschwindigkeit eine wichtige Säule des Unternehmenserfolgs ist. Gerade Variantenvielfalt bis hin zu Kundenlösungen und die schnelle Übersetzung von Markt- und Kundenanforderungen in Produkte und Leistungen machen ein kundenzentriertes Unternehmen erfolgreich. Wird diese Vielfalt zusätzlich in der Supply Chain effizient abgebildet und beherrscht, entsteht ein Wettbewerbsvorteil, der fast nicht einzuholen ist.
Das beste Beispiel ist allgemein bekannt: Amazon hat vom Pixi-Buch bis zum Gartenhaus (fast) alles im Angebot und schafft es, dies mit einem Lieferzeitversprechen beginnend bei weniger als 24 Std. bis zum Kunden abzubilden. Der Markterfolg gibt diesem Ansatz zweifelsohne Recht und kann auch von Unternehmen im Industriegüter- und B2B-Geschäft abgebildet werden.
Produktportfolio im Griff Der erste und notwendige Schritt ist dazu die gesteuerte Entwicklung des Produktangebots. Mit einem systematischen Variantenbaum werden für das Produktportfolio kundenrelevante Kauffaktoren als variantenbildende Eigenschaften definiert, von beschreibenden Merkmalen der Produkte unterschieden und in eine hierarchische Struktur übersetzt. Konsequent können so von der Produktgruppe über die einzelnen Produkte sämtliche Varianten bis zur Verpackungsvariante beschrieben und gesteuert werden.
Was nach einer technokratischen Übung klingt, ist tatsächlich eine kreative und anspruchsvolle Aufgabe, die gleichermaßen die Vertriebssicht, wie auch das Produktmanagement fordert, um die „richtige“ Breite und Tiefe des Leistungsangebots festzulegen. Für die Systematik des Variantenbaums spielt es dabei keine Rolle, wie umfangreich das Portfolio ist. Auch eine kurzzyklische Entwicklung und Veränderung des Angebots kann erst in einer solchen Struktur effizient gemanaged werden. Zugleich ist die Systematisierung des Produktportfolios ein typischer Anlass, der zur Bereinigung des Portfolios genutzt werden kann. Aus Erfahrungswerten zeigt sich, dass eine Portfolioreduzierung um 20-30 % aller Artikel möglich ist, ohne Einbußen in der Markt- und Kundenorientierung zu erzeugen. Der Grund dafür liegt darin, dass sich ein nicht konsequent gesteuertes Produkt und Leistungsangebot gerade von Unternehmen, die in Nischen und Spezialanwendungen mit hoher Kundenorientierung aktiv sind, mit der Zeit in ein fragmentiertes und unnötig umfangreiches Portfolio entwickelt.
Wie bei der Systematisierung des Portfolios liegt der Schlüssel für eine erfolgreiche Portfoliobereinigung in einem strukturierten und methodengestützten Ansatz sowie in der funktionalen Verknüpfung von den Vertriebs-, Produktmanagement- und Produktionsperspektiven. Und wie bei allen Management-Entscheidungen zählt für einen erfolgreichen Abschluss die konsequente Umsetzung bzw. Optimierung des Portfolios.
Für die Identifikation ineffizienter Produkte oder Vorstufen ist das Portfolio aus verschiedenen Perspektiven kritisch zu analysieren. Wenngleich die Analysedimensionen immer im Einzelfall und für jedes Unternehmen spezifisch festzulegen sind, gilt es grundsätzlich die Portfoliokomplexität und die Vertriebskomplexität zu analysieren.
Entwicklung der Artikelvielfalt über die Zeit, als Saldo aus Neuartikel und Auslaufartikeln p.a.
Clusteranalysen zur Artikelperformance (Umsatz und DB1) auf der Ebene von Produktgruppen
Warenkorbanalysen z. B. für verschiedene Vertriebsregionen, das durchschnittliche Auftragsvolumen aller Artikel im Vergleich und/oder die tatsächliche Bündelung von margenschwachen Artikeln mit margenstarken Volumengeschäften
Portfoliovarianz über die Zeit aus Produkten die dauerhaft, mehrfach, ggf. nur einmalig verkauft werden.
Diese Aufzählung ist selbstverständlich nur beispielhaft und nicht abschließend, wie auch die Identifikation ineffizienter Artikel und somit möglicher Streichkandidaten erst der erste Schritt ist. Danach beginnt die eigentliche Arbeit zur Portfoliobereinigung. Vertrieb und Produktmanagement müssen für jeden Streichkandidaten prüfen, ob der Auslauf eines Artikels wirklich die beste Option gegenüber den Möglichkeiten zur Preis oder Absatzerhöhung ist. Wenn ja, gilt es die kaufmännischen Effekte aus dem fehlenden Umsatz und eines fehlenden Deckungsbeitrags zu Gemeinkosten genau zu bewerten und für den Kunden Alternativangebote zu definieren. Ein im Ergebnis gestrafftes und über einen hierarchischen Variantenbaum gesteuertes Produktportfolio ist dann der Übergabepunkt zur Optimierung der Supply Chain.
Hand in Hand mit der Supply Chain Die Supply Chain ist dann als zweiter Schritt auf das definierte Produkt- und Leistungsangebot abzustimmen. Die Schnittstelle ist dazu ein verbindliches Regelwerk mit klar definierten Supply Chain-Profilen, die Lieferfähigkeit, Lieferzeit und im Ergebnis auch die Bestände und Dispositionsparameter für jede Variante bestimmen. Auch für dieses Regelwerk gilt, dass es nur durch die Integration der Kunden-/Marktanforderungen über den Vertrieb, des Produktmanagements und der Produktion & Logistik effektiv definiert werden kann. Für die unterschiedlichen Supply Chain-Profile, z. B. Standard-Lagerartikel, eine auftragsbezogene Fertigung oder individuell auf Termin gefertigte Artikel, kann dann auch eine mehrstufige Produktionswertschöpfung gesteuert werden. Für die zugrunde liegenden Rohstoffe, Vorprodukte, Halbzeuge oder Modulkomponenten sind dann ebenso Verfügbarkeit und Wiederbeschaffungszeiten zu definieren, um mit einer idealweise späten Variantenbildung das Produktportfolio effizient abzubilden.
In vielen Unternehmen ist die Definition von Supply Chain-Profilen als Schnittstelle zum Produktportfolio und zu den Kundenanforderungen auch der Einstieg für die Entwicklung der Produktionsfunktion hin zu einem internen Produktionsdienstleister. Die resultierende Selbstoptimierung gegenüber den definierten Performance-Profilen ermöglicht dann auch in der Produktion die Beherrschung von Komplexität und Übersetzung in einen Wettbewerbsvorteil.
Fazit Die Steuerung des Produktportfolios über einen systematischen Variantenbaum und die Abbildung in der Supply Chain über abgestimmte und kundengerechte Leistungsprofile sind der Schlüssel, um mit Komplexität einen echten und nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu konstituieren.
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Komplexität als Wettbewerbsvorteil
Das beste Beispiel ist allgemein bekannt: Amazon hat vom Pixi-Buch bis zum Gartenhaus (fast) alles im Angebot und schafft es, dies mit einem Lieferzeitversprechen beginnend bei weniger als 24 Std. bis zum Kunden abzubilden. Der Markterfolg gibt diesem Ansatz zweifelsohne Recht und kann auch von Unternehmen im Industriegüter- und B2B-Geschäft abgebildet werden.
Produktportfolio im Griff
Der erste und notwendige Schritt ist dazu die gesteuerte Entwicklung des Produktangebots. Mit einem systematischen Variantenbaum werden für das Produktportfolio kundenrelevante Kauffaktoren als variantenbildende Eigenschaften definiert, von beschreibenden Merkmalen der Produkte unterschieden und in eine hierarchische Struktur übersetzt. Konsequent können so von der Produktgruppe über die einzelnen Produkte sämtliche Varianten bis zur Verpackungsvariante beschrieben und gesteuert werden.
Was nach einer technokratischen Übung klingt, ist tatsächlich eine kreative und anspruchsvolle Aufgabe, die gleichermaßen die Vertriebssicht, wie auch das Produktmanagement fordert, um die „richtige“ Breite und Tiefe des Leistungsangebots festzulegen. Für die Systematik des Variantenbaums spielt es dabei keine Rolle, wie umfangreich das Portfolio ist. Auch eine kurzzyklische Entwicklung und Veränderung des Angebots kann erst in einer solchen Struktur effizient gemanaged werden. Zugleich ist die Systematisierung des Produktportfolios ein typischer Anlass, der zur Bereinigung des Portfolios genutzt werden kann. Aus Erfahrungswerten zeigt sich, dass eine Portfolioreduzierung um 20-30 % aller Artikel möglich ist, ohne Einbußen in der Markt- und Kundenorientierung zu erzeugen. Der Grund dafür liegt darin, dass sich ein nicht konsequent gesteuertes Produkt und Leistungsangebot gerade von Unternehmen, die in Nischen und Spezialanwendungen mit hoher Kundenorientierung aktiv sind, mit der Zeit in ein fragmentiertes und unnötig umfangreiches Portfolio entwickelt.
Wie bei der Systematisierung des Portfolios liegt der Schlüssel für eine erfolgreiche Portfoliobereinigung in einem strukturierten und methodengestützten Ansatz sowie in der funktionalen Verknüpfung von den Vertriebs-, Produktmanagement- und Produktionsperspektiven. Und wie bei allen Management-Entscheidungen zählt für einen erfolgreichen Abschluss die konsequente Umsetzung bzw. Optimierung des Portfolios.
Für die Identifikation ineffizienter Produkte oder Vorstufen ist das Portfolio aus verschiedenen Perspektiven kritisch zu analysieren. Wenngleich die Analysedimensionen immer im Einzelfall und für jedes Unternehmen spezifisch festzulegen sind, gilt es grundsätzlich die Portfoliokomplexität und die Vertriebskomplexität zu analysieren.
Diese Aufzählung ist selbstverständlich nur beispielhaft und nicht abschließend, wie auch die Identifikation ineffizienter Artikel und somit möglicher Streichkandidaten erst der erste Schritt ist. Danach beginnt die eigentliche Arbeit zur Portfoliobereinigung. Vertrieb und Produktmanagement müssen für jeden Streichkandidaten prüfen, ob der Auslauf eines Artikels wirklich die beste Option gegenüber den Möglichkeiten zur Preis oder Absatzerhöhung ist. Wenn ja, gilt es die kaufmännischen Effekte aus dem fehlenden Umsatz und eines fehlenden Deckungsbeitrags zu Gemeinkosten genau zu bewerten und für den Kunden Alternativangebote zu definieren. Ein im Ergebnis gestrafftes und über einen hierarchischen Variantenbaum gesteuertes Produktportfolio ist dann der Übergabepunkt zur Optimierung der Supply Chain.
Hand in Hand mit der Supply Chain
Die Supply Chain ist dann als zweiter Schritt auf das definierte Produkt- und Leistungsangebot abzustimmen. Die Schnittstelle ist dazu ein verbindliches Regelwerk mit klar definierten Supply Chain-Profilen, die Lieferfähigkeit, Lieferzeit und im Ergebnis auch die Bestände und Dispositionsparameter für jede Variante bestimmen. Auch für dieses Regelwerk gilt, dass es nur durch die Integration der Kunden-/Marktanforderungen über den Vertrieb, des Produktmanagements und der Produktion & Logistik effektiv definiert werden kann. Für die unterschiedlichen Supply Chain-Profile, z. B. Standard-Lagerartikel, eine auftragsbezogene Fertigung oder individuell auf Termin gefertigte Artikel, kann dann auch eine mehrstufige Produktionswertschöpfung gesteuert werden. Für die zugrunde liegenden Rohstoffe, Vorprodukte, Halbzeuge oder Modulkomponenten sind dann ebenso Verfügbarkeit und Wiederbeschaffungszeiten zu definieren, um mit einer idealweise späten Variantenbildung das Produktportfolio effizient abzubilden.
In vielen Unternehmen ist die Definition von Supply Chain-Profilen als Schnittstelle zum Produktportfolio und zu den Kundenanforderungen auch der Einstieg für die Entwicklung der Produktionsfunktion hin zu einem internen Produktionsdienstleister. Die resultierende Selbstoptimierung gegenüber den definierten Performance-Profilen ermöglicht dann auch in der Produktion die Beherrschung von Komplexität und Übersetzung in einen Wettbewerbsvorteil.
Fazit
Die Steuerung des Produktportfolios über einen systematischen Variantenbaum und die Abbildung in der Supply Chain über abgestimmte und kundengerechte Leistungsprofile sind der Schlüssel, um mit Komplexität einen echten und nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu konstituieren.