W&P Kommentar
München, 12.07.2018

Finance 5.0 oder: Nicht ohne diese „Top Five“!

Kommentar von Volker Riedel, Partner und Leiter Competence Center Finance
Volker Riedel
Partner und Leiter Competence Center Finance 

Die Finanzierungslandschaft wandelt sich rasant – Unternehmen und Finanzierer stehen gleichermaßen vor völlig neuen, scheinbar unzähligen Herausforderungen. Nicht immer liegt klar auf der Hand: Hype oder fundamentale Disruption? Wer die folgenden „Top Five“-Themen im Blick hat, ist gewappnet für Finance 5.0:

1. Finanzierungsangebote: Cocktails sind ein „No Go“
Mittlerweile tummeln sich rund 50 Debtfonds in Deutschland – alle mit ganz unterschiedlichen Risikoappetit und Anlagedruck. Die Zinssätze bei häufig ungesicherten Kreditmodellen liegen bei 6 % aufwärts. Auch der Markt der Schuldscheine hat 2017 von den Stückzahlen massiv angezogen. Vom schlanken Fintech bis zum großen Fond, von der Plattform bis zum Millionenkredit für Akquisitionen – alles ist heute außerhalb der klassischen Bankenlandschaft in kürzester Zeit zu finden. Die Angebotspalette wird immer bunter. Und stieg anfänglich nur die Zahl der Smallcaps-Kredite, nehmen nun auch unbesicherte Kreditvergaben bei größeren Unternehmen zu. Die Gefahr: Eine gelegenheitsgetriebene „Cocktailfinanzierung“ kann zum Hemmschuh für Wachstum werden und in kritischen Konjunkturzeiten implodieren.

2. Kennzahlen: Ohne Prüfstand gibt’s keine Finanzierung
Ein Net Debt to EBITDA Ratio von unter 3 und eine Eigenkapitalquote von über 30 % sind „Torwächter“ in der neuen Finanzierungslandschaft. Jegliche Form von Kredit wird digital abbildbar sein. Überall dort wo Massentransaktionen stattfinden, werden bevorzugte Investments in diese Technologie stattfinden. Die Angebote werden standardisierter und schnell zugänglich. Bankenunabhängige Finanzierung, kapitalmarktbasiert oder doch ein klassischer Kredit? Syndizieren oder bilateral? Teilhabe an der automatisierten Kreditvergabe oder den klassischen Weg über den Bankberater gehen? Wer sich nicht heute massiv anstrengt, die Kennzahlen zu erreichen, wird morgen von der Finanzierung abgekoppelt oder muss sie teuer bezahlen – also risikoadäquat. Da bleibt nur: Die eigenen Kennzahlen kritisch hinterfragen und entsprechende „Cash-Impulse“ in die Organisation geben, damit sich diese rechtzeitig nach Cash-Optimierung ausrichtet.

3. Blockchain: Effizienzpotentiale nutzen
Und nun die Blockchain oder besser „Distributed Ledger Technology“ (DLT) – alles wieder nur ein Hype? Es ist der Versuch, tägliche Arbeitsprozesse und Transaktionen zu automatisieren, sie komfortabler, einfacher und sicherer zu machen. Die Platzierung der ersten Schuldscheine haben den Proof of Concept erbracht. Banken arbeiten mit Hochdruck an weiteren Lösungen. Konsequent weitergedacht, werden sich administrative Prozesse fast vollständig automatisieren lassen. Zuerst dort, wo es einen Machtpromoter zur Umsetzung gibt und standardisierte Prozesse ablaufen. Insbesondere bei den internen Leistungsprozessen innerhalb einer Unternehmensgruppe oder innerhalb einer Wertschöpfungskette werden sich Effizienzpotenziale ergeben - eine ausgelöste und verifizierte Bestellung wird automatisch bezahlt und verbucht. Dabei spart man nicht nur Kosten - eine automatisierte Supply Chain optimiert auch das Working Capital. Was heute bei Forderungen mit Factoring schon Standard ist, wird sich morgen auf die Beschaffung und Lagerhaltung eines Unternehmens bzw. Unternehmen einer gemeinsamen Wertschöpfungskette auswirken.
Wie es um die Bonität in einer so vernetzten Wertkette steht? Wer eine schlechte Bonität hat und damit wenig Kreditlimit, wird vermutlich von diesen automatisierten Prozessen ausgeschlossen – und Umsatz entgeht.

4. Datenmodelle: Herr im eigenen „Datenhaus“ sein
Datenhoheit- und übersicht über die eigenen Daten – das sind weitere Knackpunkte. Von Produktinformationen, über die Customer Journey des Kunden bis hin zu Zahlungsbedingungen – ihre Strukturierung wird zur zentralen Aufgabe. Liegt doch in den heutigen ERP Systemen schon vor? Daten – ja; doch Übersicht – nein! Davon sind die meisten Unternehmen noch weit weg und der Traum von automatisierten Prozessen stößt an seine Grenzen. Wer jedoch versucht mit hohem manuellen Aufwand gegenzusteuern, dem drohen Verlustgeschäfte - denn die Kunden werden diese kostspieligen Abläufe über kurz oder lang nicht mehr bezahlen. Es ist also höchste Zeit, systematisch die Anforderung an eine zukünftige Datenstruktur im Zusammenhang mit der Finanzierung festzulegen. Entscheidend ist, diese an den wesentlichen Kundentypen und ihren prozessualen Anforderungen auszurichten.

5. CFO: Zukunft des Unternehmens managen
Der CFO als oberster Risikomanager wird ein Spannungsfeld zwischen Wachstum, Profit und Disruption bewältigen müssen. Mit seinem Team muss er neben der Sicherung finanzieller Stabilität künftig auch die neuen Möglichkeiten bei Prozessen und Geschäften prüfen und sie auf Risiken bewerten. Die größte Herausforderung: Der Aufbau zukunftsfähiger Teams mit digitalen und unternehmerischen Skills. Daher ist es besonders wichtig, schon heute das Zielbild einer zukünftigen Finanzorganisation zu entwerfen, aktuelle Lücken zu identifizieren und entsprechende Entwicklungsprogramme zu initiieren. Alle Erfahrungen zeigen: Eine Finanzabteilung lässt sich nicht schnell um 90 Grad drehen, dazu sind die Anforderung an Genauigkeit aller Daten und Zahlen zu hoch

Spannende Zeiten für den CFO, die Finanzabteilung und die Finanzierung. Wachstum, Profit und Disruption müssen unter einen Hut gebracht werden. Grundlage zur Bewältigung dieser Herausforderungen: Eine stabile Finanzierungsarchitektur. Wer heute agiert und abschließt, kauft sich die Sicherheit für die anstehenden Transformationen.
 
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