W&P Kommentar
München, 14.02.2018

Ring Fencing: Was der Mittelstand von den Banken lernen kann

Kommentar von Christian Groschupp, Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner
Christian Groschupp
Mitglied der Geschäftsleitung 

Können Mittelständler und Familienunternehmen von britischen Banken lernen? Ja!

Denn ab 2019 müssen die britischen Kreditinstitute die sogenannten Ring Fencing-Regeln der Bank of England, der Zentralbank, umsetzen. „Ring Fencing“, also „Umzäunung“ bedeutet für die Banken, dass sie ihr britisches Filialgeschäft mit Firmen- und Privatkunden vom riskanten Investment Banking abtrennen müssen. Das klassische Kreditgeschäft soll auf neu gegründete Tochtergesellschaften übertragen und mit einer selbständigen Kapitalausstattung und Risikokontrolle ausgestattet werden. Im Krisenfall des riskanten Investmentbankings werden so existenzielle Probleme im Konzern vermieden, das volkswirtschaftlich bedeutsame Filialgeschäft ist unabhängig in Tochtergesellschaften fortführungsfähig.

Doch Ring Fencing kann auch für Mittelständler und Familienunternehmen in folgenden Unternehmenssituationen ein sinnvolles Instrument sein:
  • Abschottung von Verlustbringern bzw. „Cash-Fresser“ vom gesunden Kerngeschäft,
  • Trennung von Wertetreiber und Wertevernichter wie z.B. Geschäftsfelder mit höherer Mittelbindung die den Unternehmenswert mindern, oder
  • Separierung von Geschäften die ein höheres Risikoprofil als das Kerngeschäft aufweisen, wie beispielsweise Venture Aktivitäten

Nicht nur stark diversifizierte Unternehmensportfolios zeichnen sich häufig durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Geschäftsaktivitäten mit divergierenden Erfolgsfaktoren bzw. Marktmechaniken aus. Verlustquellen oder Wertevernichter müssen dabei nicht zwangsläufig nur in Form von Tochtergesellschaften oder Beteiligungen in Erscheinung treten, sondern auch als Business Units, Standorte, Werke, Filialen, Produktsortimente etc.

Somit ist die Identifikation nicht immer auf den ersten Blick völlig transparent. Bei einer tiefergreifenden Analyse sollte neben der reinen GuV-Sicht auch die Cashflow-Perspektive sowie die strategische Relevanz auf den Tisch,- um auf dieser Basis transparente Entscheidungen zu treffen.

Eine wertorientierte Portfoliosteuerung von Geschäften und Strukturen durch die Auf- und Abspaltung aus dem Konzernverbund ist kein Tagesgeschäft. Die Komplexitätsfallen resultieren aus bestehenden Konzernverflechtungen, wie z.B. Bürgschaften, Patronatserklärungen, bilanziellen Beteiligungsansätzen, Intercompany Forderungen, Leistungsverflechtungen, Beherrschungs-, Gewinnabführungs- und Organschaftsverträgen. Darüber hinaus sind auch regelmäßig Eingriffe in die bestehende Finanzierungsstruktur bis hin zu einer völligen Neukonzeption der Finanzierung notwendig.

Zielgerichtete Lösungskonzepte müssen auf Basis eines „intelligenten“ Ring Fencing erarbeitet werden: Aktivitäten, die beispielsweise nicht fortgeführt werden sollen, sind zunächst zu separieren und werden in einem nächsten Schritt veräußert oder liquidiert. Die Wertetreiber bzw. die gesunden Unternehmensteile werden so gegen eventuelle Risiken abgeschottet.

Die Konzeption und Realisierung eines solchen Ring Fencing gelingt nur in einem interdisziplinären Team: Neben Kompetenzen in der Bewertung von Geschäftsmodellen und deren Finanzierungsarchitektur, sowie der anspruchsvollen Finanzplanung sind auch Spezialisten für Gesellschafts-, Steuer- und Insolvenzrecht notwendig.

Case Study
Die ausländischen Einheiten eines international aufgestellten Baustoffkonzerns waren überwiegend über das Stammhaus finanziert. In Folge des Konjunkturabschwungs in Osteuropa und des Arabischen Frühlings in Nordafrika sank der Cashflow dieser Regionen drastisch ab. Die Gesellschaften in Zentral- und Mitteleuropa konnten dies nicht auffangen, der Kapitaldienst der Stammhausfinanzierung nicht mehr im vollem Umfang bedient werden. Zusätzlich wurde der Cashflow durch Aktivitäten mit hohen Investitions- und Anlaufkosten außerhalb des Kerngeschäftes belastet. Die Prüfung verschiedener Szenarien zur Entschuldung durch den Verkauf einzelner werthaltiger Einheiten führte nicht zur Wiederherstellung der Kapitaldienstfähigkeit des Gesamtkonzerns.
Abb 1.: Portfolio-Analyse und Finanzierungskonzept über einen Debt-Push-Down

Die Konzernstruktur musste durch umfassende Trennung der Wertetreiber und Wertevernichter bzw. Verlustbringer umgebaut und die Finanzierungsstruktur an die Schuldentragfähigkeit des künftigen Kerngeschäftes angepasst werden. Hierzu wurden die fortzuführenden Gesellschaften in West- und Osteuropa direkt lokal refinanziert, teilweise durch den gleichen Finanzierkreis der Stammhaus-Holding (sog. Debt-Push-Down). Als Maßstab für eine marktübliche Refinanzierung galt das 3,5fache EBITDA-Potential der Gesellschaften.
Abb.2.: Teil-Entschuldung und Zielstruktur des Ring Fencing

Mittels einer Kombination aus Dividendenausschüttungen, Kapitalherabsetzungen und Rückführung von Intercompany-Verbindlichkeiten, konnte annähernd das gesamte, durch die operativen Gesellschaften neu aufgenommene, Fremdkapital an die Holding (OldCo) transferiert und zur Teilrückführung der Stammhausfinanzierung eingesetzt werden. Für die Gläubiger führte dies unterm Strich zu einem Gläubigerwechsel mit besserer Bonität und der Wiederherstellung von Cashflow und Finanzierung im definierten Kerngeschäft.

Im nächsten Schritt wurden die fortzuführenden Gesellschaften auf Basis eines Bewertungsgutachtens (Fairness Opinion) an eine neu gegründete Holding (NewCo) unter dem Dach der Familien-Holding verkauft. Der Kaufpreis wurde durch die Gewährung eines Genussrechtes zugunsten der OldCo entrichtet. Durch die Übertragung zu einem marktüblichen Kaufpreis wurde eine wirtschaftliche Entflechtung vom Restkonzern erreicht. Zur Vermeidung von Haftungsrisiken der Familien-Holding musste eine solvente Liquidation der OldCo sichergestellt werden. Hierzu wurden durch die Gläubiger entsprechende Forderungsverzichte und Rangrücktritte erklärt. Die OldCo ist zudem so strukturiert, dass der Cashflow jederzeit positiv ist.

Die OldCo wird treuhänderisch geführt mit der Zielsetzung, innerhalb einer angemessenen Frist die Werte der Performer- und Diversifikations-Einheiten zu realisieren, Low Performer werden liquidiert. Den Übererlösen aus den Verkäufen und den Beteiligungserlösen aus dem Genussrecht stehen den Gläubigern in einer Wasserfallstruktur in Abhängigkeit nach Besicherung der Altdarlehen und dem Anteil der Neufinanzierung der NewCo zur Verfügung.

Durch die Umsetzung des Ring Fencing-Konzeptes konnten die Altgesellschafter sich die unveränderte Mehrheit am werthaltigen Kerngeschäft sichern, die Altgläubiger können eine deutliche höhere Rückführung als bei einer ungeordneten Zerschlagung des Konzerns erwarten. Das Management der NewCo fokussiert sich auf die operative Führung und Wertsteigerung, während in der OldCo spezialisierte Manager mit der optimalen Verwertung betraut sind.

Dr. Wieselhuber & Partner GmbH hat in diesem Fall folgende Aufgaben übernommen:
  • Gesamtkonzeption, Entwicklung und Bewertung alternativer Portfolio-Strategien und Deal-Strukturen (Ring Fencing)
  • Integrierte Finanz- und Bilanzplanung inkl. Als-ob-Darstellungen, sowie Entkonsolidierungen
  • Erstellung des Finanzierungskonzeptes bis zum Term Sheet
  • Steuerung des Gesamtprozesses, inkl. der involvierten Rechtsspezialisten
  • Stellung des Interimsmanagement für die OldCo in der Verwertungsphase

Fazit:
Ein intelligentes Ring Fencing kann einen bedeutsamen Beitrag zur Zukunftssicherung und Wertsteigerung des Unternehmens leisten. Dies gilt unabhängig von der Art der Verlustquellen und dem Grad der Bedrohung. Die Entwicklung und Realisierung erfolgversprechender Konzepte bedürfen einer eingehenden Analyse auf Basis der individuellen Ausgangssituation und einem interdisziplinärem Experten-Team. Zentraler Aspekt des Ring Fencing ist die Entflechtung und Risikoabschottung der Werttreiber und die Herstellung eine Win-Win-Situation zwischen Gläubigern und Gesellschaftern.
 
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