München, 13.03.2018

Maßschneiderei vs. altmodischer Weg: Entschuldung im internationalen Umfeld

So sah es aus…
Ein Mischkonzern mit Sitz in Deutschland und internationalen Standorten (Niederlassungen in Frankreich, Italien, Spanien, GB, Griechenland, Asien und USA) im Anlagenbau entwickelte sich nach Jahren mit deutlichen Wachstumsraten negativ. Neben dem Anlagenbau betrieb der Konzern noch zwei weitere Geschäftsbereiche: eine Handelssparte (Fokus Deutschland) und einen Wartungsservice für bestehende Anlagen. Aufgrund des fortgesetzten Preisverfalls bei wesentlichen Einkaufsmaterialien/-komponenten, kam der Auftragsfluss ins Stocken: Die Kunden im Anlagenbau warteten mit der Auftragserteilung bis zur letzten Sekunde, da die Anlagen immer billiger wurden. Resultat war ein Bruch des EBIT-Covenants nach nur 9 Monaten Laufzeit des Konsortialkredits, der mit 20 Finanzierern über ein Volumen von mehr als 200 Mio. € abgeschlossen wurde.
Auf den Bruch des EBIT-Covenants folgten zwei weitere: Zum einen bestanden im Anlagenbau zu hohe Vorleistungen. Zum anderen waren speziell für den Handelsbereich vorgesehene Betriebsmittellinie zweckentfremdet worden, da es keine saubere Trennung zwischen Handel und Anlagenbau im Lager und den Prozessen gab. Die Konsequenz: Die Finanzierer froren die zur Verfügung stehenden Linien (inkl. Avalrahmen) bei rd. 135 Mio. EUR ein.


Der W&P Weg…
Die entsprechende W&P Sanierungsstrategie beruhte auf zwei Säulen:
  1. Um die operative Handlungsfähigkeit zu erhalten und insbesondere die Liquiditätslage vor dem Hintergrund der eingefrorenen Kreditlinie und der gebrochenen Covenants zu sichern, wurde ein CRO mit Organstellung implementiert. Eine der ersten Aufgaben des CRO war das Aufbrechen des internationalen Cash Pools. Dadurch wurde die Liquiditätsversorgung der einzelnen rechtlichen Einheiten stärker reglementiert, der kumulative Liquiditätsbedarf und das Risiko gesenkt und eine Aufteilung der guten und schlechten Konzernteile vorbereitet. 
  2. In einem zweiten Schritt wurden die operativen und prozessualen Voraussetzungen geschaffen, um den Handelsbereich zu separieren (Carve Out). Parallel ergab die Profitabilitäts-Analyse der Konzernteile folgendes:
  • - Deutschland, GB und Frankreich: schwarze Null
  • - Spanien: positiv
  • - Italien: positiv, aber Risiko durch Rechtsstreitigkeiten
  • - USA (Ostküste): positiv
  • - Griechenland, Asien: negativ

Dieses heterogene Bild führte zu einer differenzierten Herangehensweise im weiteren Projektverlauf.


Vorgehen…
Stufe 1: Cash Burn stoppen, Assets sichern
Die defizitären Aktivitäten in Griechenland und Asien wurden aufgegeben und der Konzern schrittweise verkleinert. Die weitere Reduzierung von Verlusten und die Einhaltung der Vorschriften aus dem Kreditvertrag, wurden durch die Einführung eines durchgängigen Projektcontrollings realisiert. Das Projektcontrolling zeichnete sich in diesem Fall durch den harten Durchgriff bereits in der Auftragsanbahnungsphase aus. Die Anstrengungen des Vertriebs sollten stärker strukturiert und transparenter werden, z.B. mit der hierarchischen Darstellung von Auftragsanbahnungspotenzialen, die im Zeitablauf nachgehalten werden konnten.


Anlagen ohne Kunden gab es in Deutschland, Spanien, Italien und Frankreich. Diese Anlagen wurden in einem separaten Waiver behandelt und, soweit nicht kurzfristig ein alternativer Käufer gefunden werden konnte, in eine separate Gesellschaft übertragen (SPV). Das SPV trat in die Konsortialvereinbarung ein, haftete für einen Teil des Fremdkapitals und diente somit als Sicherheit für die Finanzierer. Sie waren dadurch näher an den grundsätzlich werthaltigen Assets (gute Drittverwendungsfähigkeit der Anlagen) und an den Cash Flows bei einem Verkauf.
Stufe 2: Andere Länder, andere Lösungen
Die Strukturen, die auf einen größeren Konzern ausgelegt waren, erwiesen sich mangels Wachstum als nicht nachhaltig tragbar. In einigen Ländern hatten sich die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert, was die Realisierung von Anlagen anspruchsvoller machte. Zudem bestanden in Italien erhebliche Risiken, die auf die Konzernmuttergesellschaft in Deutschland hätten durchschlagen können.

Das Geschäft in den USA entwickelte sich positiv. Für ein flächendeckendes Lösungsangebot und profitables Wachstum wurde jedoch zusätzliches Kapital benötigt. In Spanien stabilisierte sich das Geschäft und stellte sich als tragfähig dar. Außerdem benötigte die spanische Niederlassung, ebenso wie die USA, keinen Knowhow-Support mehr aus Deutschland. Beide Niederlassungen waren operativ handlungsfähig.
Für das operative Geschäft in Deutschland zeichnete sich jedoch ein düstereres Bild ab: Die Restrukturierung schien grundsätzlich machbar, jedoch war eine solide Ertragsprognose – aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen – nicht möglich.

Und so ging es weiter…
Nach Abwägung von Handlungsoptionen und Entwicklungen, kam es zu einer Insolvenzlösung für die deutsche Konzernobergesellschaft. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurden die Gesellschaften in Spanien, USA, GB und Frankreich verkauft. Hier konnten vergleichsweise attraktive Preise realisiert werden, da die Käufer an der vertikalen Integration in ihrem jeweiligen regionalen Markt interessiert waren. Der verbliebene Wartungsservice in Deutschland wurde in eine eigene Gesellschaft überführt und im Rahmen eines Management Buy Out veräußert. Parallel verlief der Verkaufsprozess der Assets aus dem SPV heraus.

Fazit…
Maßschneiderei ist ein aufwendiger Weg, der aber auch einem deutlich besseren Ertrag ermöglicht. In Abhängigkeit von der Besicherung konnte für die Gläubiger eine Recovery von 75%-95% realisiert werden. Bei allen – verständlichen – Bemühungen für eine Standardisierung des Sanierungsprozesses muss es jedoch weiterhin möglich sein, den altmodischen Weg zu gehen, um damit einen Mehrwert für alle Stakeholder zu realisieren.
 
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