W&P Kommentar
München, 16.12.2020

Externes Eigenkapital: Das vernachlässigte Stiefkind der COVID-Pandemie?

Kommentar von Christian Groschupp, Leiter Competence Center Finance und Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner
Christian Groschupp
Partner 

Viele Unternehmen haben zu Beginn der Pandemie alle Möglichkeiten öffentlicher Kreditprogramme zur Sicherung ihrer Liquidität genutzt, z.B. durch die Aufnahme von KfW-Krediten. Ein richtiger Ansatz! Mittelfristig aber wird man Verlusten und einer gestiegenen Volatilität nicht allein durch mehr Fremdkapital begegnen können - schließlich wollen die Gläubiger ihr Geld auch wieder zurückbekommen. Darum müssen jetzt die Eigenkapitalbasis gestärkt und der Verschuldungsgrad optimiert werden.

Die Notwendigkeit der externen Eigenkapitalverbesserung hat auch die Europäische Kommission erkannt und die Einführung eines vereinfachten "EU‐Wiederaufbauprospekts" (EU Recovery Prospectus) auf den Weg gebracht. Die EU möchte damit die Eigenkapitalaufnahme durch Sekundäremissionen von Aktien deutlich verschlanken. Hierzu sind die Anforderungen an den Prospektinhalt und -umfang erheblich reduziert worden und zudem soll die Frist zur Prospektprüfung von 10 auf 5 Tage verkürzt werden.

Diese Vereinfachungen zielen auf Unternehmen ab, deren Aktien in den letzten 18 Monaten ununterbrochen zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen waren oder auf einem KMU‐Wachstumsmarkt gehandelt wurden – vorausgesetzt, dass ein Prospekt für das Angebot dieser Aktien veröffentlicht wurde. Hiervon könnten beispielsweise Emittenten profitieren, deren Aktien im sogenannten Scale-Segment des Freiverkehrs der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet sind.

Und wie steht es mit den Unternehmen, die noch über keinen Zugang zum Kapitalmarkt verfügen?

Eigenkapitalinvestoren stehen auch nicht börsennotierten Unternehmen offen. Viele Mittelständler und Familienunternehmen sind aktuell aber noch nicht bereit, sich mit der sensiblen Frage der Eigenkapitalaufnahme von dritter Seite zu beschäftigen und könnten möglicherweise gerade auch in Aufschwungphasen den Anschluss an den Wettbewerb verpassen.

Unüberwindbare Deal Breaker sind nicht selten die grundsätzliche Frage nach der Abgabe von Geschäftsanteilen oder die Eignung auf eine „faire“ Unternehmensbewertung. Dabei können diese Knackpunkte beispielsweise durch den Einsatz von hybriden Instrumenten weitestgehend umgangen werden:

  • Wenn eine direkte Beteiligung zum aktuellen Zeitpunkt nicht gewollt ist, können nachrangige bzw. Mezzanine-Darlehen, für welche ein Rangrücktritt hinter bestehenden Bankverbindlichkeiten vereinbart ist, mit einem „Equity Kicker“ ausgestattet werden und das wirtschaftliche Eigenkapital stärken.
  • Neben einer endfälligen Tilgung können die Zinszahlungen bis zum Laufzeitende gestundet werden.
  • Der „Equity Kicker“ kann Options- und Wandelrechte umfassen, die es ermöglichen, zusätzlich oder alternativ zum Darlehensbetrag zum Laufzeitende Anteile am Eigenkapital des Unternehmens zu erwerben und auf diese Weise an einer Wertsteigerung teilzuhaben.
  • Die Konditionen eines möglichen Anteilserwerbs werden dabei häufig auf einer variablen Basis vorab fixiert, z.B. durch einen festgelegten EBIT-Multiplikator zum Zeitpunkt des Wandlungsrechtes.


Somit können gerade angesichts der COVID-induzierten Unsicherheit langwierige Bewertungs-diskussionen zwischen den Parteien in die Zukunft verlagert werden. Das deutsche Recht umfasst für eigentlich (fast) jede Situation eine passende Ausgestaltungsmöglichkeit. Spezialisierte Investoren wie Private Equity oder Debt Funds verfügen jedenfalls über ausreichend große „Liquiditätstaschen“. Ausreden, die gut genug sind, um sich nicht mit der Frage der externen Eigenkapitalbeschaffung auseinander zu setzen? Die gibt es nicht.
 
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